Martin Seidel und Paolo Bianchi
Brevier Prozentkunst
Antinomie von Elite und Masse
Kunst verteilt sich etwa so: Exklusive Künstler- und Sammlerkunst und ästhetische Exaltiertheiten in den Museen, auf Biennalen und Kunstmärkten. An öffentlichen Bauten und im öffentlichen Raum dagegen häuft sich eine auf ästhetische Neutralisierung oder auf den Massengeschmack abgestellte Kunst: bedeutungsarme Wandanstriche, notdürftig und zwanghaft auf den Zweck der Gebäude abgestimmter symbolischer Objektschnickschnack oder buntbemalte Brunnenfigürchen.
Die ideale Prozentkunst macht keine falschen Konzessionen. Sie überspielt die Antinomie von privater und öffentlicher, von elitärer und populärer Kunst und spricht gleichermaßen Kenner und Laien an – und überzeugt wenn möglich selbst noch den Banausen.
Ästhetik der Prozentkunst
Zur Prozentkunst sollte eine Ästhetik als kunstphilosophischer Richtungsweiser entwickelt werden. Die vorhandenen Texte und Bestimmungen zur Prozentkunst weisen erhebliche Argumentationsschwächen und Legitimationsdefizite auf.
Vieles wird einfach behauptet, so etwa die frühzeitige Zusammenarbeit von Künstler und Architekt als Ideal verabsolutiert, ohne an die Potentiale einer nachträglichen Kunst überhaupt nur zu denken.
Beitrag zur Baukultur
„Kunst am Bau“ wurde eingeführt als Beschäftigungsprogramm für Künstler und volkspädagogisches Instrument.
In den für Bundes- und Landesbauten gültigen deutschen „Leitfaden Kunst am Bau“ wird „Kunst am Bau“ als Beitrag zur Baukultur definiert.
Nach einem in vielen europäischen Kommentaren zur Prozentkunst beschriebenen Verständnis ist Prozentkunst Ausdruck des politischen Willens, die Bevölkerung an zeitgenössische) Kunst heranzuführen und sie daran teilhaben zu lassen.
Clans und Connections
Starkünstler werden oft direkt beauftragt.
Der „Freund des Architekten“, der „Freund des Juryvorsitzenden“, Vetternwirtschaften und Klüngeleien – alles kommt vor. Das unterscheidet Prozentkunst allerdings nicht von anderer Kunst; man denke an Kunstwett-bewerbe, Beschickungen…