Christian Huther
Brasilianische Kunst
Karmeliterkloster, Frankfurt/Main, 24.9. – 16.11.1994
Institut Mathildenhöhe, Darmstadt, 25.9. – 6.11.1994
Kunstverein, Frankfurt/Main, 1.10. – 27.11.1994
Vom exotischen Klischee will das Land weg. Folglich trat Brasilien, zum Schwerpunktthema der letzten Frankfurter Buchmesse erkoren, in der Mainmetropole als ein an der modernen Welt teilnehmendes Land auf, die wichtigen Kunst- und Kultur-ausstellungen indes widmeten sich der Historie und der Gegenwart. Immerhin vermischten sich in Brasilien über Jahrhunderte viele kulturelle Einflüsse. Von den 150 Millionen Einwohnern Brasiliens haben über 60 Millionen eine dunkle Hautfarbe. Sie sind Nachfahren der sechs Millionen Afrikaner, die vom 16. bis 19. Jahrhundert als Sklaven nach Brasilien kamen.
Im Frankfurter Kunstverein schlug die von zwei brasilianischen Kuratoren betreute Ausstellung “Afro-Brasilia” einen weiten Bogen von der Kulturgeschichte bis zur zeitgenössischen Kunst. Das bestimmende afro-brasilianische Element ist die lange verbotene Candomblé-Religion der Sklaven, die sich dem Katholizismus näherte und noch heute populär ist. Allein in São Paulo gibt es gegenwärtig 3000 Kulthäuser. Der historische Rundgang zeichnete im ersten Teil mit Stichen, Bildern, Fotos, Masken, Skulpturen und rituellen Objekten die Einflüsse der religiösen Kunst auf die Volkskunst und die intellektuelle Kunst nach.
Breiten Raum nahmen im zweiten Teil die Werke von sieben Gegenwartskünstlern ein, die die afrikanische Ästhetik der abstrahierten Linien, Formen und Volumen fortsetzen. Am deutlichsten wird das bei Agnaldo Manoel dos Santos (1926-1962), der in seine Holzskulpturen das flache Augenprofil, den in die Ferne gerichteten Blick und den auf den Betrachter “starrenden” Mund übernahm. Rubem Valtentim (1922-1991) hat in seine hohen, graphischen Holzskulpturen die Zeichen und Symbole der afrikanischen Götter eingeschrieben….