Boris Mikhailov
Bei mir geht es im Wesentlichen um das Lumpenproletariat
Uta M. Reindl sprach mit dem Kaiserringträger der Stadt Goslar 2015
Boris Mikhailov gilt als bedeutender Chronist der Sowjet und Postsowjetära, er dürfte zu den wichtigsten Fotokünstlern der Gegenwart zählen. Bis 1990 hatte der 77jährige Ukrainer keine Ausstellung in der Sowjetunion, gilt jedoch heute als einer der angesehendsten Künstler aus der ehemaligen Sowjetunion. Der ausgebildete Ingenieur und autodidakte Fotograf befasst sich mit den Bedingungen menschlicher Existenz. Doch sind seine meist politischen Bilder gerne schonungslos und drastisch, meist von einem hintersinnigen Humor geleitet. Für den im Grunde auch anarchischen Bilderzeuger, den das Experiment mit der Fotokunst fasziniert, endet dieses genau dort, wo die politische Botschaft gefährdet ist. So lehnt Mikhailov etwa Photoshop strikt ab, weil dieser „die Wahrheit tötet“. Nach etlichen Auszeichnungen, die er vorwiegend in Europa erhielt, nahm Boris Mikhailov am 10. Oktober 2015 den Kaiserring von Goslar entgegen, der als weltweit renommiertester Preis für moderne und zeitgenössische Kunst gilt. Uta M. Reindl sprach für KUNSTFORUM dort mit ihm.
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Uta M. Reindl:Wie fühlen Sie sich als Träger des Kaiserrings, der nun zum 40. Mal verliehen wird, nach Hilla und Bernd Becher und Andreas Gursky zum dritten Mal an einen Fotografen?
Boris Mikhailov: Gut, dass ich nicht der 41. Künstler bin, denn zu Sowjetzeiten gab es einen Film mit dem Titel „Der 41.“, in dem eine Rotarmistin im Bürgerkrieg ihren Geliebten erschoss, weil er zu den Weißen übergelaufen war. Dann hätte ich mich schlecht gefühlt. Ohne Witz: Mein allererster Eindruck war ein…