Venedig
Boris Lurie – Life with the Dead
Zum 100. Geburtstag des Künstlers
Scuola Grande San Giovanni Evangelista di Venezia Badoer Ausstellungsraum 20.04.–24.11.2024
von Uta M. Reindl
Die „NO! Art“-Bewegung teilt mit anderen Anti-Kunst-Initiativen den Einsatz für eine neue, ganz große Freiheiten versprechende Kunst sowie den sozialpolitischen Diskurs. Doch war für den „NO! art „-Mitbegründer Boris Lurie eine persönliche Erfahrung der Ausgangspunkt, repräsentierte seine künstlerische Produktion eher den autobiografisch motivierten Befreiungsschlag, denn eine schlichte Antihaltung. Lurie hatte 1959 gemeinsam mit seinen Künstlerfreunden Sam Goodman und Stanley Fisher „NO! art“ initiiert, auch um seine Traumata durch die Kunst mit der Welt zu teilen, keinesfalls aber um damit Mitleid zu erregen. Der 1924 in Sankt Petersburg geborene Jude Lurie hatte nämlich miterleben müssen, wie fast seine gesamte Familie 1941 von den Nazis ermordet wurde. In Riga, wohin die Luries aus Russland geflohen waren. Mit seinem Vater kam er ins Arbeitslager, überlebte verschiedene KZs und emigrierte 1946 mit ihm in die USA, wo der spät anerkannte Künstler bis zu seinem Tod 2008 zurückgezogen in New York City lebte.
Zu seinem 100. Geburtstag nun zeigen das Museum Zentrum für verfolgte Künste (Solingen) und die Boris Lurie Art Foundation am Rande der 60. Ausgabe der Kunstbiennale in Venedig in einer Überblicksausstellung Kunst aus dem 3.000 Werke umfassenden Œuvre Luries in dem dunklen Badoer-Ausstellungsareal, den ehemaligen Begräbnisräumen der Barockkirche San Giovanni. Ein trefflicher Ort für diese radikal gegen die Shoa anschreiende Kunst, die sich dazu noch – das sei betont – als sozialpolitische Kritik an der Bigotterie der Kunstwelt verstand…