RAINER METZGER
Blut & Honig
Zukunft ist am Balkan
Sammlung Essl, Klosterneuburg, 16.5. – 28.9.2003
“Blut & Honig” hätte im Wiener Oberen Belvedere stattfinden müssen. Eine Ausstellung, die in großzügiger Geste konstatiert, “Zukunft ist am Balkan” hätte in den dritten Wiener Bezirk gehört, denn dort beginnen nach den Worten des Staatskanzlers Metternich recht eigentlich die Gebirge, Schluchten und Unwägbarkeiten des wilden Europa. Doch Harald Szeemann, das Urgestein, darf die Landkarte sowieso dorthin rücken, wo seine eigenen topografischen Kenntnisse ansetzen. Also gehört Moldawien zum Balkan, Ungarn nicht, dafür die Türkei. Und die Sammlung Essl in Klosterneuburg hat zum ersten Mal den gesamten ersten Stock geräumt, das heißt verschwinden lassen, was als ständige Kollektion normalerweise dort ihr Wesen treibt. Es gereicht dem Haus nicht zum Schaden.
Vor allem liegt das an Szeemann, dem Ausstellungsgestalter, selbst. Nach alter wie altbackener, orthodoxer wie autonomer Manier hat Szeemann die Länder und Lokalitäten bereist, Ateliers und Atmosphären gesucht und Arbeiten. Im Katalog sind Notizen des Meisters faksimiliert, ein Terminkalender zum Beispiel, mit Uhrzeit, Künstlernamen und handschriftlichen Erinnerungsstützen, die signalisieren, welche Position sich in welchem Medium darbot oder was drin war in den Bildwelten, die ihm begegneten. Es sieht so aus, als fände Szeemann überhaupt nichts dabei, sich bei einer solchen Addition von “Ich war da”-Markierungen über die Schulter blicken zu lassen. Wenn jemand anderes so verfährt, dann riecht das nach eingeschlafenen Füßen, nach jenem Kuratoren-Allerlei, das die Exponate in die Tristesse hinein stapelt. Bei Szeemann nimmt es, wenn es gut geht, an, was er “die Dimension einer eigenen Welt,…