Blood, sweat and tears.
Zur Spur des Körpers in der Kunst der Gegenwart
von Herbert Kopp-Oberstebrink
Ein ungemachtes Bett, zerwühlte Kopfkissen, fleckige Bettlaken, vor dem Bett ein gebrauchter Slip mit Menstruationsblut, schmutzige Hausschuhe, Alltagsmüll jeglicher Art, benutzte Taschentücher, leere Wodkaflaschen, Zigarettenschachteln, eine Schachtel Antibabypillen, Kondome. Es handelt sich nicht um irgendein ungemachtes Bett, sondern um das bekannteste, am kunstvollsten arrangierte und mittlerweile teuerste, ein ikonisches Werk der jüngeren Kunstgeschichte. Die Geschichte, die Tracey Emins Installation My Bed (1998) angeregt hat, ist bekannt. Nach einer Trennung stand die Künstlerin mehrere Tage lang infolge einer Depression nicht auf, blieb liegen, halb-bewusstlos, wie sie selbst berichtet hat. Die in der Installation präsentierten Überreste dieser Tage erzählen eine Geschichte von Trauer, Schmerz und Verzweiflung, die die Künstlerin durchlitten hat. Sie haben sich in den Überbleibseln materialisiert. Was man nicht sieht, ist der Dreh- und Angelpunkt des Ereignisses, das sich hier dokumentiert: Der Körper der Künstlerin. Zu sehen sind nur seine Spuren, und das gleich in mehrfacher Weise: als kaum erkennbare Abdrücke des Körpers in Kissen, Bettlaken und Decke, als Befleckungen der Laken, als Spuren in Unterwäsche und Schuhen, als eingetrocknete Körperflüssigkeiten.
An Emins Arbeit lassen sich zwei unterschiedliche Paradigmen der Körperspur aufweisen: materielle Rückstände und bloße Abdrücke. Residuen des abwesenden Körpers, etwa Körperflüssigkeiten, verweisen auf seine reale Präsenz. Im Falle des Körperabdrucks dagegen ist der Körper selbst nicht mehr materiell repräsentiert, sondern nur das Negativ seiner Form.
Bemerkenswert ist, wie produktiv Spuren werden. Sie sind es, die Momente, Abläufe, Vorgänge und Ereignisse auch in ihren Details lesbar machen…