Jürgen Kisters
Birgit Kahle
»Positionen: 1978 – 1990, Photographie«
Galerie Koppelmann, 27.4. – 31.5.1990
Der nackte weibliche Körper ist eines der liebsten photographischen Motive, in dem die Frau größtenteils zum schönen Objekt des männlichen (Kamera-) Blicks gemacht wird. Das führt gewöhnlich zu Körperbildern von vordergründiger Glätte: geschlossen, bruchlos, fein geschminkt, ohne die Andeutung von Schmutz, Falten oder Wunden. Birgit Kahles photographische Herangehensweise tritt dagegen in eine bewußte und unmißverständliche Differenz zu dieser Inszenierung des (weiblichen) Körpers. Es ist dabei immer der eigene Körper der Künstlerin, der auf jedem Photo je unterschiedlich erscheint. Eine in der Galerie Koppelmann zusammengestellte Schau mit Kahle-Arbeiten aus den letzten zwölf Jahren präsentierte eine stimmige Positionsbestimmung dieses Ansatzes.
Der Körper, Dreh- und Angelpunkt der (künstlerischen) Erfahrung, wurde von Birgit Kahle im Laufe der letzten Jahre Zone um Zone ab- und durchgelichtet und wechselnden Sichtweisen unterzogen. Das weitverbreitete Bild glatter körperlicher Äußerlichkeit wurde durch die Sichtbarmachung innerer Tumulte zerbrochen und ergänzt. So zeigt sich die ganze Unruhe des Lebens in schwarz-weißen Photographien, die von Kratzspuren und Verzerrungen, Brüchen, extremen Helligkeiten und Verdunkelungen geprägt sind. Die Künstlerin greift von Anfang an in den photographischen Abbildungsprozeß ein, attackiert das geschlossene Bild von der Motivgestaltung bis zur Entwicklung und Überarbeitung des Bildnegativs, etwa durch Bewegung, Kratzen, wechselnde Lichteinflüsse und chemische Finessen. Dadurch erscheint immer ein gebrochenes Bild des Körpers: zerrissen, verschwommen, von Explosionen zerstört.
Körperliches drängt sich als fremdartige Einzelheit auf, wird zum bloßen Umriß oder gerät fast ganz zum Verschwinden. Die Brust erscheint als schwarzes Loch, aus dem Geschlecht wächst eine unheimliche Spinne, das…