Christiane Fricke
Birgit Jürgenssen
Bank Austria Kunstforum, Wien, 16.12.2010 – 6.3.2011
Galerie Hubert Winter, Wien, 14.1. – 5.3.2011
Müssen starke Frauen provozieren, um gehört zu werden? Oder waren die Antennen des Kunstpublikums einfach nicht fein genug, um ein facettenreiches Werk wie das der österreichischen Künstlerin Birgit Jürgenssen (1949-2003) zu ihren Lebzeiten wahrzunehmen und ihm öffentlichen Raum zu geben? Nehmen wir etwa die feinen, mit viel Liebe zum Detail gearbeiteten Hausfrauen-Zeichnungen von 1974/75, in denen die Künstlerin gesellschaftliche Zustände auf den Punkt bringt, wie sie Anfang der siebziger Jahre noch selbstverständlich waren. Krasse Klischees brachte sie zu Papier wie die Frauen, die mit Schürze und Kopftuch den Boden schrubben. Wer genauer hinsieht erkennt, dass sie anstelle von Lappen kleine Mischwesen auswringen, halb Mann halb Phallus. Oder nehmen wir die privaten Performances für die Kamera: zum Beispiel die Farbfotografie „Ohne Titel (Selbst mit Fellchen)“ von 1974/77, auf der sie sich schutzbedürftig und zugleich animalisch dreist präsentiert. Oder eine Arbeit in Schwarzweiß von 1976 aus dem Besitz des Centre Pompidou: „Ich will hier raus“ steht auf einer Glasfläche geschrieben, hinter der Jürgenssen, mit adrettem weißen Spitzenkragen bekleidet, ihre Handflächen und ihr Gesicht mit verzweifelter Miene gegen das Glas presst.
Warum verfangen Jürgenssens Charme, subtiler Humor und Ironie erst heute? Als die in Wien geborene Künstlerin 2003 im Alter von 54 Jahren starb, waren die heute 70-jährige Valie Export und die 30 Jahre jüngere Elke Krystufek längst international bekannt. Mit radikalen Paukenschlägen hatten beide früh karrierefördernde Aufmerksamkeit erzeugt: Export brachte das konservative Wien der späten Sechziger auf…