Hanne Weskott
Bill Woodrow:
“Positiv Earth – Negativ Earth”
Kunstverein München, 6.1.-15.3.1987
Das gottgleiche Schöpfertum der Künstler wird von Nietzsches Enkeln nur noch selten beschworen. Jetzt sind die Macher am Werk. Um so erstaunlicher ist, daß dieser Begriff bei den Recycling-Künstlern wieder ins Spiel gebracht wird, (vgl. Kf. 73/74) Brüderlin zitiert da sogar Bazon Brock: »Der Künstler wie Gott? Gott wie der Künstler!« Dieser Gott scheint in einer kaputten Welt mit dem Schöpfen gar nicht mehr aufhören zu können und wenn nichts mehr geht, fängt er zu basteln an. Es scheint, daß nicht nur jede Zeit die Kunst hat, die sie verdient, sondern auch den Schöpfer-Gott, der zu ihr paßt.
Aber auch so hochgegriffene Vergleiche ändern nichts an der Tatsache, daß des Menschen Kunstfertigkeit auch durch Müll und Abfall angeregt werden kann und daß aus noch so häßlichen Resten der Zivilisation Dinge von seltsamer bizarrer Schönheit entstehen können. Dafür gibt es in der Kunstgeschichte der letzten 50 Jahre viele Beispiele und Bill Woodrow gehört sicherlich zu den begabteren dieses Genres. Erfunden hat er die Recycling-Kunst zwar nicht, aber auf der Suche nach einem eigenen Weg war er erfolgreich. Angesichts des vielfältigen Angebots hat er sich eine strenge Beschränkung auferlegt, die der frei spinnenden Phantasie, wenn nötig, Einhalt gebietet: Theoretisch läßt sich alles, was er aus einem Fundstück herausgeschnitten hat, dorthin wieder zurückbringen. Das heißt, daß jede neue Form ihre erkennbaren Grenzen im Mutterstück hat. Die Spannung ergibt sich dann zunächst aus den völlig fremden oder auch widersprüchlichen Inhalten, deren gemeinsame formale Wurzel klar zu…