Hans Ulrich Reck
Von Warburg ausgehend:
Bildmysterien und Diskursordnung
Die Rezeption und Diskussion der Ideen Aby Warburgs sind heute ausgedehnt. Warburg macht sich immer gut als Verweis auf eine vorgeblich empirisch untermauerte Kulturphilosophie. Seine expressive Sprache, die Fähigkeit zu begrifflichen Neuschöpfungen und nicht zuletzt eine Reihe von biographischen Umständen – schwere seelische Erkrankung, reicher Sonderling, Privatgelehrter – haben ihn mythenfördernd vom gängigen Berufsprofil des Kunsthistorikers abgegrenzt. Ob es um die Wiedereroberung der Zeit durch das Bewußtsein geht, daß alle Handlungen tief in symbolische Gesten eingebunden sind, wie Rowe/Koetter mit Blick auf Warburg schreiben1, ob um die persönliche Aneignung und transformierende Wahrnehmung alltäglicher Gesten mit einer eigenständigen künstlerischen Konzeptualisierung unter dem Begriff der “Pathosgeste” – so Anna Oppermanns begriffliche Auszeichnung ihrer auf der documenta 8 ausgestellten Arbeiten von 1984 bis 1987 -, Warburg führt ins Zentrum kunstgeschichtlicher Fragestellungen. Ihm geht es um das Funktionieren des Imaginären wie der Symbolfähigkeit, die Historisierung von Prägungsformeln wie um eine deskriptive Annäherung an eine universal und damit ganz im Sinne der damaligen Avantgarden gefaßte Psychologie des menschlichen Ausdrucksschaffens, für das Kunst eine privilegierte Funktion beanspruchen konnte. Obwohl Warburgs Theoreme alles andere als widerspruchsfrei sind und Harmonisierungsbestrebungen nicht allein den späteren Ritualen der Gefolgschafts-Selektion zuzuschreiben sind, kann von einer realen Kontroverse um Warburg ebensowenig gesprochen werden wie, grundsätzlich, von einem Methodenstreit in den Kunstwissenschaften. Die Auseinandersetzungen werden indirekt oder verdeckt signalisiert, aber keinem artikulierten Bewußtsein, keiner absichtsvollen Kommunikation zugeführt. Über die Gründe ist schon deshalb hier nicht zu spekulieren, weil die Methodenprovokation durch die Öffnung der Wahrnehmung -…