Bilderwissen
Der Genforscher James Watson, Mitentdecker der Struktur des DNS-Moleküls, antwortete 2003 in einem Spiegel-Interview auf die Frage, was ihn vor nunmehr 50 Jahren von der Richtigkeit seiner Entdeckung überzeugt habe: “Dass die Doppelhelix so schön ist”. Einfach und damit verständlich sei sie überdies, wie das von ihm und Crick entworfene Modell beweise.
In der Tat ist der Anteil der Anschaulichkeit bzw. der möglichst dreidimensionalen Sichtbarmachung eines naturwissenschaftlichen Phänomens für das Erkennen seiner Funktionsweisen nicht zu überschätzen. Zweifellos aber wohnt dieser Visualisierung auch ein starkes ästhetisches Moment inne, dessen Berechtigung man eigentlich eher künstlerisch-kreativem Schaffen zuerkennt. Die Unzulänglichkeit dieses Ansatzes belegt einmal mehr der Oxforder Kunsthistoriker Martin Kemp mitunter geradezu leidenschaftlich in dem jüngst in deutscher Sprache veröffentlichten Kompendium “Bilderwissen”. Der Anstoß dazu kam bemerkenswerterweise von der Fachzeitschrift Nature, wo Kemp in loser Folge jene jetzt gebündelt vorliegenden Artikel ursprünglich publiziert hat. Grundlage der Studien ist der Versuch einer Engführung naturwissenschaftlicher und künstlerischer Betrachtungsweisen. Es ist “die visuelle Bildsprache”, deren Pool für jeden denkenden Menschen gleichermaßen bewusstseinsprägend sei. Eine These, die Kemps z.T. kritisch beäugte ‘Vermischung’ nicht nur naheliegend, sondern sui generis berechtigt erscheinen lassen. Bei der Edition der Aufsätze hat man strukturelle Betrachtungsebenen eingezogen, die schon in Kapitelüberschriften, wie zum Beispiel, Mikrokosmen”, “Raumansichten”, “Präsizionsarbeit” oder “Prozesse und Muster” einerseits die historische Veränderung in der Wahrnehmung wie auch spezifische Fragestellungen an die Relevanz von Veranschaulichung überhaupt berücksichtigen. Kemps Blickwinkel setzt nicht nur die parallele Existenz von mikrokosmischen atomaren und makrologischen Kosmen voraus, sondern auch ihre Berührungspunkte durch die Jahrhunderte; womit Kemp -…