CLAUDIA WAHJUDI
Bilanz mit Bourdieu
Die Berliner Initiative Kunst und Ökonomie
Die Kunst ist kurz davor, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Seit der Künstler als kreativer Selbstständiger gilt, der im Koordinatensystem von Wirtschaft, Design, Stadtmarketing und Eventkultur agiert, steht seine kulturelle und politische Verortung unter ökonomischen Vorzeichen erneut zur Debatte. Wenn alles mit jedem vernetzt ist, wenn das Rhizom nicht mehr Sinnbild für Widerstandskultur ist sondern für die verflüssigten Verhältnisse der Dienstleistungsgesellschaft, so heißt es in der Berliner Initiative “Kunst + Ökonomie”, stellt sich auch die Frage nach künstlerischen Inhalten und Arbeitsbedingungen neu: Welche Folgen hat die deregulierte Ökonomie für den Kulturbetrieb, und was passiert eigentlich in all den Netzwerken, deren Existenz zum Trotz Macht und Nichtmacht fortbestehen?
“Kunst + Ökonomie” ist eine offene Arbeitsgruppe, die sich an der Hochschule der Künste gegründet hat und vor allem vom dortigen Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung unterstützt wird. Das Projekt soll der Professionalisierung angehender Künstler und Künstlerinnen dienen; zu den Veranstaltungsthemen gehören daher auch das “Berufsfeld Künstlerin” und künstlerische Selbstorganisation. Darüber hinaus versteht es sich, wie die Mitinitiatorinnen Franka Ueberschaer und Barbara Buchmaier sagen, auch als Kritik am Hochschulbetrieb, der Künstler, Kunsttheoretiker und Vermittler getrennt ausbildet, obwohl in der Berufspraxis Kooperation gefordert ist. Deshalb hat sich die Gruppe nicht an der Hochschule angesiedelt, sondern in einem Veranstaltungsraum in Mitte – “Kunst + Ökonomie” ist ein Schwellenprojekt, das auch interessierte Laien ansprechen soll. Tatsächlich jedoch nehmen an Seminaren und Arbeitsgruppe vor allem Künstlerinnen und Studentinnen teil: “Gebt wenigstens der Quote eine Chance!”, lautet eine nüchterne Zwischenbilanz…