Harry Zellweger
Biennale Reflexions
Von einer Weltkunst-Ausstellung Zu einer Veranstaltung zur Vorstellung mittelmäßiger Talente geworden: so könnte man in einem Satz die Geschichte der Biennale di Venezia zusammenfassen, dieser ältesten und bedeutendsten Ausstellung internationaler Kunst, die 1895 noch im Beisein königlicher Prominenz eröffnet wurde und Italien nach einigen schwer wiegenden Mißerfolgen auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet zumindest im kulturellen Sektor eine gleichrangige Stellung unter den europäischen Großmächten garantieren sollte. Aber war sie dies wirklich jemals: eine Weltkunst-Ausstellung – und damit mehr als eine prestigiöse Veranstaltung einiger bedeutender europäischer und außereuropäischer Mächte, die auf diese Weise darin eine gute Gelegenheit sahen, in einer weltpolitisch gespannten Situation, auf kulturellem Gebiet noch einmal die Kräfte zu messen, bevor ihre Armeen im Felde aufeinanderrannten? Genau wird diese Frage nie zu beantworten sein. Vieles Praktische und Menschliche, das Bedürfnis vor allem sich eher auf das Nächste als auf das Zeitlose und Dauernde, zu konzentrieren, spricht dafür, daß sie es wahrscheinlich in diesem hohen Sinne nie war, wenn auch andererseits die Tatsache, daß sie auf dem Prinzip der Ländervertretung aufbaute, dem Zeitgeist entsprach und sie zum Zeitpunkt ihrer Gründung, als noch miteinander konkurrierende Nationalstile vorherrschten, zu spannenderen Ergebnissen geführt haben dürfte als in der Nachkriegszeit, wo ein überhandnehmender Internationalismus dafür sorgte, daß die Künstler sich nun auch über die Grenzen hinweg zu imitieren begannen. Nicht zufällig ist denn auch gerade in diesen letzten Jahrzehnten der Ruf wachgeworden, vom Nationalitätenprinzip endlich abzugehen. Zwar hat diese Forderung seit dem Auftauchen der jungen deutschen, italienischen, französischen und amerikanischen Maler wieder…