Gabi Czöppan
Bezugspunkte 38/88
steirischer herbst 1988, Innenstadt, 15.10.-8.11.1988
Wann immer die Kunst im öffentlichen Raum auftritt, entfacht sie naturgemäß politische Diskussionen. Der Eingriff in den urbanen Raum über die Besetzung mit nur normativen, technokratischen Zeichen hinaus, kommt einer an sich gesellschaftlichen Veränderung gleich. Die Stadt ist Brennpunkt aller gesellschaftlichen Institutionen und damit auch Trägerin ideologischer Symbolik. Ausstellungsmacher Werner Fenz spricht von Kunst im öffentlichen Raum, “wenn sich das Kunstwerk auf etwas einläßt, das seiner Funktion an diesem spezifischen Ort, sei es dort temporär oder
ständig, entspricht: Weitsicht zu sein und Auskunft /u geben über Natur-, Geschichts- und Gesellschaftsverständnis”1.
Die Stadt Graz hat in der Geschichte eine besondere Stellung: Mit dem Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland 1938 wurde die gesamte Stadt zur Bühne für die Feier des Nazi-Siegs. Graz wandelte sich zum Schauplatz nationalsozialistischen Propagandatheaters und erhielt dafür im Nazijargon den Ehrentitel “Stadt der Volkserhebung”. Diese spezifische historische Situation hebt die Ausstellung “Bezugspunkte 38/88” – das Hauptprogramm des steirischen herbstes 88 (Motto “Schuld und Unschuld der Kunst”) – gegenüber allen anderen Anforderungen an Künstler, die im öffentlichen Raum intervenieren, heraus. 16 Künstler aus Europa und den USA waren eingeladen, an historisch ausgewählten Orten im Stadtbereich von Graz Bezugspunkte zu ehemals nationalsozialistischen Propagandaorten herzustellen.
Die zweifellos politische Brisanz dieser spektakulären Ausstellung zeigt sich im Lande Waldheims nicht nur in den für ein derartig motiviertes Projekt verhältnismäßig bedenkenlos erteilten Genehmigungen für die Errichtung der Kunstwerke auf dem Grund und Boden von Stadt, Land, Kirche und Privatbürgern (einige ausländische Künstler ließen verlautbaren, daß dies in der Bundesrepublik nie möglich…