Rainer Unruh
Beyond Words
Gesellschaft für aktuelle Kunst Bremen, 23.6. – 9.9.2012
So also sieht ein Lügengebäude aus: bunt, ein wenig instabil und mit seltsam verlaufenden Wänden, die eher ein Winkeladvokat als ein Architekt konstruiert zu haben scheint. Jesse Ash hat dieses zwölfteilige Zelt entworfen, das mit Haken am Boden der Gesellschaft für aktuelle Kunst in Bremen verankert ist. Der Arbeit „45 Minutes“ liegt ein Auftritt des damaligen Premierministers Tony Blair von 2002 zugrunde, in dem der Politiker die nachweislich falsche Behauptung aufgestellt hatte, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, die binnen einer Dreiviertelstunde aktivierbar seien. Ash hat die Umrisse Blairs und seine Gesten während der Kriegstreiberrede in ein dreidimensionales Computermodell überführt und daraus ein Zelt nähen lassen. Ein negatives Monument, das seinen Helden nicht feiert, sondern beschämt.
Und das dabei auch noch irritierend gut aussieht. Denn dies ist die vielleicht größte Leistung der beiden Kuratorinnen Yvonne Bialek und Janneke de Vries: Sie haben zum eher spröden Thema Kunst und Sprache Werke zusammengestellt, die bei aller Reflektiertheit auch etwas für das Auge bieten. Da ist zum Beispiel das Turm-Modell von Saadane Afif, halb Spielzeug, halb Architekturprojekt, das nonchalant an den Modernismus und die Sozialutopie eines Oscar Niemeyer erinnert, zugleich aber durch die schwarze Scheibe, auf der es ruht, und durch den Untertitel „Neurotek“ den Bogen zur DJ-Welt des Techno schlägt. Ein direkt auf die Wand hinter dem Turmbau zu „Babel“ geschriebener Songtext von Judicael Lavrador verstärkt den Bezug der Arbeit zur Musik.
Dieser leichte und lässige, um Autoritäten unbekümmerte Umgang mit der Welt zeichnet auch…