Martin Blättner
Hauptstrom Jupiter –
BEUYS und die Antike
Glyptothek München, 28.2. – 9.5.1993
»Ich wende mich zwar zurück, gehe zurück, suche ebenso das Existierende zu erweitern, indem ich es nach vorn durchbreche. Auf diese Weise werden alte mythische Inhalte aktuelle.«
J. Beuys (1971)
Die Mysterien finden offenbar nicht nur auf dem Hauptbahnhof statt. Gelegentlich erweisen sich selbst traditionelle Kultstätten als taugliche Einrichtungen zur Reanimation mythischer Sinnschichten. Wer hätte vermutet, daß auch dort erfrischende Inspirationsquellen Erneuerung versprechen? Einen größeren Gegensatz zwischen den alten und den neuen Musen (so die Soziale Plastik und der erweiterte Kunstbegriff) und eben wie den, der mit Beuys und der Antike in der klassizistischen Glyptothek inszeniert wurde, könnte man sich auch kaum vorstellen. Gut möglich, daß eine “Revolutions”-Architektur aus ärmlicher und veränderbarer Substanz den noch mehr passenden Rahmen für dieses Experiment vorgegeben hätte. Erdacht hat es Gottlieb Leinz. Exakt 93 Werke mit altertümlichen Bezügen spürte er in der Sammlung van der Grinten auf. Gegen das gewichtige Ambiente im Bauwerk des Leo von Klenze kann sich der relativierende Vorbehalt, die mythische Annäherung an die Antike schließe andere Querverbindungen und Deutungen nicht aus, nur mit Mühe durchsetzen. So räumte auch der Leiter des Hauses, Klaus Vierneisel, ein, die Beuys-und-Antike-Verbindung sei mit einem rhetorischen und provokativen Fragezeichen zu versehen. Jenseits dieser vorsorglichen Einschränkungen dürften wenigstens in den Beuys-freien Räumen spontane Assoziationen mit Winckelmanns euphorischer Wiederentdeckung des klassischen Altertums und der kritisch mahnenden Würdigung durch F.W.J. Schelling – man solle bei einer lediglich thematisch veränderten Naturnachahmung das Prinzip der “werktätigen Wissenschaft” und die…