Better be rich. Or crazy.
Erfolgsvoraussetzungen und Hindernisse für künstlerische Karrieren
von Christian Saehrendt
Was bewegt eigentlich Menschen dazu, in der bildenden Kunst die berufliche Zukunft zu suchen, die doch weithin als brotlos verschrien ist? Zunächst einmal lässt sich sagen: Es handelt sich um erstaunlich viele Menschen, die darin ihren „Traumberuf“ erblicken. Allein die Mitgliederzahl der Sparte bildende Kunst in der deutschen Künstlersozialkasse hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten auf rund 67.000 verdreifacht.1 Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer von anderweitig versicherten Freiberuflern und „Teilzeit“-Kreativen. Vergleichbare Tendenzen waren auch in der Schweiz und in Österreich feststellbar.
Zugleich aber ermittelte eine Studie im Auftrag des Deutschen Kulturrates für den Zeitraum 2013 bis 2019 ein sehr bescheidenes jährliches Durchschnittseinkommen von 20.000 Euro für Künstler und von 17.000 Euro für Künstlerinnen.2 Eine weitere aktuelle Studie zur heutigen beruflichen Lage von knapp 400 Absolventen und Absolventinnen der Hochschule für bildende Künste Hamburg ergab zwar ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von rund 24.000 Euro, dieses wurde aber nur zu einem Drittel durch genuin künstlerische Tätigkeiten erwirtschaftet.3 Für Außenstehende ist diese Konstellation ein Rätsel. Warum ergreift man einen Beruf, der so geringe Verdienstmöglichkeiten bietet? Für die Zukunft gilt diese Fragestellung erst recht. Denn möglicherweise sind die Zeiten dieses „Überangebotes“ von Kunst ohnehin vorbei: Die Flurbereinigungen und Machtverschiebungen im Bildungs- und Kulturmarkt infolge des sich verstetigenden Pandemie-Ausnahmezustandes haben die Arbeitsbedingungen von freiberuflichen Künstlern und Künstlerinnen bereits jetzt außerordentlich erschwert. Es steht mittelfristig zu befürchten, dass die künstlerische Laufbahn nur noch Wohlhabenden offensteht, während sich Angehörige der Unter- und Mittelschichten von diesem Traum…