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Essay · S. 138 - 145
Essay , 1983

Bestia pinxit

von Andreas Seltzer

Vor einiger Zeit lernte ich jemanden kennen, der mir von einem merkwürdigen Museum in der Schweiz erzählte, dem “Museum der Frösche” in Estavayer-le-Lac, bei Neuchâtel. Die Frösche, die man dort sehen könne, seien etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts am See gefangen worden, man habe sie präpariert, zum Teil mit Puppensachen bekleidet und als Figuren für spielzeughafte Genre-Szenen benutzt.

Das wenige, was ich damals über diese Kuriosität hörte, hatte mich neugierig gemacht, und vor kurzem bekam ich Gelegenheit sie zu besichtigen.

Genau genommen ist das “Musée des Grenouilles” nur eine kleine Sammlung, die sich im letzten Raum des Heimatmuseums von Estavayer befindet. Ihr Arrangeur war François Perrier, ein Hauptmann der vatikanischen Schweizergarde. Er lebte von 1813-1860 und in seinen letzten Lebensjahren, zwischen 1853 und 1860, hat er die Frösche zu einer Art Vermächtnis zusammengestellt, in dem Themen seines Lebens erinnert sind. Da exerzieren fantastisch uniformierte Frösche mit Puppen-Karabinern, da sieht man Frösche beim Ausritt, beim Waffenputzen und anderen Tätigkeiten des soldatischen Lebens, da gibt es Szenen aus dem Zivilleben: adrett gekleidete Frösche beim Trinken und Singen im Gasthaus, beim Lernen in der Schule, beim Arbeiten im Garten, beim Familienmahl, beim Billard und Kartenspiel.

Im ersten Moment war ich verblüfft, doch das Amusement, für das diese Miniaturen gemacht waren, stellte sich nicht ein; im Gegenteil: Je länger ich sie betrachtete, umso größeres Unbehagen empfand ich.

Das ganze erinnerte zu sehr an Zirkusdressur. Die Frösche, das waren die toten Vettern der Affen, der balljonglierenden Seelöwen, der motorradfahrenden Bären, der Tiere, die dem Publikum vorgaukeln,…

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