Hans-Jürgen Hafner
Bertold Mathes
»Gute Aussicht«
Galerie Kienzle & Gmeiner, Berlin, 31.1.2009 – 7.3.2009
Speziell an abstrakter, ungegenständlicher Malerei lässt sich jenes produktive Dilemma ablesen, das wir mit dem Konzept einer Kunst haben, von der wir wissen, dass sie eine höchst diesseitige Angelegenheit, von Menschen gedacht und gemacht wird. Gegenüber der wir trotzdem bereit sind, dem einen spezifischen Mehrwert zuzubilligen: gerade weil sie so gemacht wird, ohne darüber hinaus eine andere Funktion, einen anderen Nutzen als jenen des Kunstseins haben zu müssen. Das scheinbar Selbstzweckhafte abstrakter Malerei, von Bildern, die, so wie es aussieht, auf nichts anderes als auf sich verweisen, bringt dieses Dilemma besonders deutlich auf den Punkt. Als könne das nicht alles sein, suchen Interpretationen solcher Malerei ihr Heil anderswo: beleihen ungegenständliche Bilder im diskursiven Nirgendwo behaupteter Transzendenz oder im Fetischisieren von Form und Medium. Wie schwer dieses Dilemma immer noch zu lösen ist, zeigt gerade die jüngste Generation formal operierender BildproduzentInnen, wo die Macher wie die Interpreten entweder auf überzeitlich-kosmische Qualitäten, das quasi-Religiöse einer geometrisch auf Holz gepinselten Komposition, eines schlichten Monochroms abheben. Oder, als Extrem dazu, einen besonderen Wert im Dekorativen erkennen. Vision oder Dienstleistung, Esoterik oder Funktionalisierung – beide Extreme verkennen gerne das objektiv aus den Bildern selbst herleitbare Potential: die Spanne zwischen Ästhetik und deren faktischen Bedingungen, zwischen dem direkten, und notwendig subjektiven, Effekt ästhetischer Erfahrung und jenen ihm vorgelagerten Konditionen, die ein Bild ‚so’ und eben nicht anders sein lassen.
Nur sehr oberflächlich sieht Bertold Mathes’ aktuelle Ausstellung „Gute Aussicht“ so aus wie wir abstrakte Malerei…