AMINE HAASE
Berliner Verlobung
Die Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin
22. September 2004 bis 23. Januar 2005
Halbwahrheit” heißt eins von insgesamt 18 Ausstellungskapiteln, in denen jetzt etwa ein Drittel der Friedrich Christian Flick Collection (FCFC) im Hamburger Bahnhof, Berlins Museums für Gegenwartskunst, präsentiert wird. Der Titel könnte Programm sein. Schließlich kann man immer nur auf eine Seite des Janusgesichts schauen – aber die Flick-Medaille hat zwei Seiten: die ästhetische der gesammelten Kunst und die ethische des Umfelds. Und das Umfeld ist weit, führt in das unheilvollste Kapitel deutscher Geschichte, in die Flick’sche Familien-Historie, aber auch in die politische Gegenwart und kunstpolitische Zukunft der Republik. “Partial Truth” ist der Titel einer der kleinsten und unscheinbarsten Arbeiten der gigantischen Schau, 5,5x61x46cm klein, schwarzer Granit, in den zwei Wörter eingeschrieben sind. Aber es ist ein Gigant der Kunst, Bruce Nauman, der dieses “Partial Truth” 1997 in einer 25er Auflage verbreitete. Nauman, in zwei Räumen präsent – in der Kleihues-Halle, wo bislang die Pop-Ikonen der Sammlung Marx ausgestellt waren, und im Untergeschoss der neu hinzu gewonnenen Rieck-Hallen -, erscheint wie der Schutzpatron des guten Gewissens. Er meißelt sogar in Stein, was andere nur leise vermuten: dass Wahrheit teilbar ist und das fertige Werk eben nur “Halbwahrheit”. Aber es ist ein Missverständnis, den Künstler als Zeugen anzurufen in einem Verfahren, aus dessen Zentrum die Kunst mehr und mehr verschwindet – auch wenn sie noch so groß ausgebreitet wird, auf 13.000qm; bezeichnender Weise ist von Documenta-Größe die Rede, nicht von Documenta-Qualität. Oder ist es…