Thomas Wulffen
Berlin vor der Wende?
Eine Zukunft, die in der Ferne liegt, muß man herbeireden. Nach dieser Devise scheinen jene zu handeln, die für das Jahr 1997 den Aufbruch der Kunstmetropole Berlin herbeibeten wollen. Sie stützen sich dabei auf die Eröffnung des Hamburger Bahnhofs, der ersten internationalen Kunstmesse in Berlin und der Jahrhundert-Retrospektive von Christos Joachimides im Martin-Gropius-Bau. Natürlich hat die Kunstmetropole Berlin Zukunft, aber die entscheidet sich nicht in einem Jahr und nicht an Eröffnungstagen von Sammlungen oder Ausstellungen. Sammlungen und Ausstellungen sind beide rückwärtsgewandt, so daß `Das zwanzigste Jahrhundert – Die Epoche der modernen Kunst`, Titel der Joachimides-Schau, über dem ganzen Aufbruch stehen könnte. Wo andere Metropolen schon das einundzwanzigste Jahrhundert ins Visier nehmen, sind die Berliner froh, wenn sie retrospektiv das vergangene würdigen können. Für 15 Millionen, dank dem Dauerabonnement für Lottogelder, die Christos Joachimides und seine Zeitgeistgesellschaft besitzen. Dank auch eines neuen Populismus, den Jens Jessen in der FAZ für `Berlin, die Hauptstadt der Bewegungslosigkeit` festgestellt hat: “Der Neue Populismus denkt nicht ans Volk, sondern an Interessengruppen mit privilegiertem Zugang zur Öffentlichkeit.” Diesem Populismus ist der neue Kultursenator ebenso zu verdanken wie der peinliche Umgang mit dem internationalen Ausstellungsmacher Ammon Barzel. Im Kampf mit dem Berliner Klüngel scheint der Direktor des Jüdischen Museum im Libeskind-Bau, gegenüber Herrn Güntzer, Generaldirektor der Stiftung Stadtmuseen, endgültig den kürzeren gezogen haben. Mit 500.000.- DM soll er abgefunden werden, damit sich Berliner Provenienz und Populismus wieder bewähren kann. Damit ist wieder mal ein international profilierter Ausstellungsmacher aus der Stadt vertrieben worden….