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Titel: Konstruktionen des Erinnerns · von Evgen Bavcar · S. 109 - 108
Titel: Konstruktionen des Erinnerns , 1994

Evgen Bavcar:
Berlin und der Wind

Meine stärkste Erinnerung an Berlin wird eine Kachel sein – aus dem Gestapo-Folterkeller am Gropiusbau – die ich mitgenommen habe für meine Sammlung von Steinen, Teil meines materialen Gedächtnisses. Auf dem Gestapogelände habe ich die Wände betastet, und ich dachte dabei an meinen Vater und meinen Onkel. 1943 wurden sie von den Nazis in Lokawitz, einem Küstenort in der Nähe der italienischen Grenze, an die Wand gestellt – das war damals, als die Division Prinz Eugen in Slowenien einmarschierte und nach der italienischen Kapitulation die vormals italienischen Gebiete besetzte. Panzer kamen nach Lokawitz und hinterließen die oben erwähnten Einschußlöcher. Ein Nazioffizier stellte meinen Vater und meinen Onkel vor dem Erschießen vor eine Mauer, aber ein Wehrmachtsoffizier, der ein echter ehrbarer Soldat, kein Tier war, erinnerte daran, daß Zivilisten nicht erschossen werden dürfen. Der Nazi-Offizier gab nach und so haben meine Verwandten überlebt. Diese Mauer existiert noch. Auf dem Gestapo-Gelände befand ich mich an jenem neuralgischen Punkt, von dem die Entscheidung herrührte, meinen Vater und meinen Onkel an die Wand zu stellen. Intensive Eindrücke haben auch der Besuch am Grab von Kleist hinterlassen oder der Besuch in der Wohnung von Bertolt Brecht. Diese Orte habe ich betastet, auch die Gräber von Hegel und Fichte. Die Wohnung von Brecht wirkt sehr schön, gemütlich. Fühlt man sich in die Person Brechts ein, wie er schrieb, wie er spazierenging, so kommt die Vergangenheit zurück. An diesem Ort mit seinem Tisch, seinem Telefon, das ich betastet habe, kann ich mir eine…

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