Gilbert & George
The Scapegoating Pictures
St. Matthäus-Kirche 19.05. – 17.09.2017
von Matthias Reichelt
Gilbert & George sind politische Künstler, bekennende Atheisten, Anhänger der Aufklärung und Gegner von Kirche als Institution – egal welcher Konfession –, die Menschen Vorschriften bei Lebensform und sexueller Orientierung macht. Seit 50 Jahren agieren sie nicht nur als performative Kunstfiguren, sondern leben offen als schwules Paar zusammen. In ihre Tweed-Anzüge gekleidet, wirken sie wie ein bildungsbürgerliches und konservativ-distinguiertes Lehrerpaar und avancierten damit zum vielleicht nachhaltigsten Aushängeschild britischer Gegenwartskunst. Nun stellen Gilbert (Prousch) & George (Passmore) trotz ihrer säkularen Haltung im Rahmen „Luther und die Avantgarde“ in der St. Matthäus-Kirche in Berlin aus. In einem Interview, das Tim Ackermann mit den Künstlern für „Weltkunst“ führte, begründeten sie ihr Engagement so: „In Museen schauen die Besucher nur kurz auf die Bilder und laufen gleich weiter. Das geht in einer Kirche nicht. Die Erfahrung in einer Kirche ist fesselnder. Man schaut viel bewusster. Die ganze christliche Bildtradition lastet auf den Werken.“
Die Fenster des Kirchenschiffs sind beidseitig auf zwei Etagen von Wänden verbaut, an denen die 24 ausgewählten großen Tableaus aus der 2013 entstandenen und 129 Arbeiten umfassenden Serie der „Scapegoating Pictures“ [Sündenbockbilder] montiert sind. Von ihrem Atelier im Londoner East End aus betrachten sie mit Skepsis und Sorge die Zunahme des Einflusses von religiösem Fanatismus auf das gesellschaftliche Umfeld. Diese Radikalisierung zugunsten einer erbarmungslosen Allah-Verehrung und Fehlinterpretation des Islam, die daraus resultierenden Selbstmordanschläge mit dem Ziel, so viele „Ungläubige“ wie möglich…
