IGOR SACHAROW-ROSS
Beobachtungen und Transformationen
Früher habe ich mich sehr viel mit Krebszellen beschäftigt und immer wieder Vergrößerungen von Krebszellen bearbeitet. Ich fand diese aggressiven Zellen faszinierend, als Inbegriff der Anarchie der Materie. So hat z.B. jede Krebszelle überhaupt kein Licht mehr, während jede gesunde Zelle eines Blutkörperchens auch ein Lichtträger ist! Deshalb interessieren mich heute auch die lebendigen Zellen so sehr, wie mich früher diese zerstörerischen Zellen interessiert haben. Diese Zellen sind für mich heute gleichsam ein Inbegriff des Kosmos, den Gott am Anfang aus dem Chaos schuf”.1 Mit diesen Worten beschreibt Igor Sacharow-Ross seinen Ansatz, naturwissenschaftliche Erkenntnisse und geistesgeschichtliche Überlieferungen miteinander zu verbinden, Histologisches und Neurophysiologisches kosmologisch zu deuten, Innenwelten als Projektionen von vergleichbaren Strukturen in der Außenwelt zu sehen.2 In der hermetischen Abgeschlossenheit einer Aquariumsäule bietet das Wachstum von Algen Anlaß zur Beobachtung von Veränderungen organischer Materie (1997). Im Laufe des Jahres 1998 entstand eine Werkserie mit aufgesägten Blöcken und Säulen aus Graphit, denen Gewebeproben in gläsernen Objektträgern beigefügt wurden.
Bei solchen Arbeiten durchlaufen die Informationen Transformationsprozesse, indem sie in den Objekten und Installationen mit anderen energetisch wirksamen Materialien kombiniert oder durch bestimmte Konservierungstechniken selbst materiell verändert werden. In seiner künstlerischen Strategie bedient sich Sacharow-Ross der wissenschaftlichen Methoden des praktischen Experiments wie der distanzierten Beobachtung: Beobachtungen und Transformationen seine Installationen sind Arbeitsplätze in direkter wie metaphorischer Bedeutung.
Jürgen Raap
1.) Igor Sacharow-Ross, zitiert nach: Kat. “Apotropikon – Räume, Felder, Handlungen”, Hrsg. Galerie Schüppenhauer, Köln 1990, o.S.
2.) s. hierzu Monografie in “Kunstforum” Bd. 140, S. 272