Jolanda Drexler
Belle Haleine
»Der Duft der Kunst«
Museum Tinguely Basel, 11.2. – 17.5.2015
Dass der verheißungsvolle Titel dieser ganz einem menschlichen Sinnesorgan verschriebenen Ausstellung ausgerechnet auf ein Readymade von Marcel Duchamp, der als Begründer der kopflastigen Konzeptkunst eine bloß „retinale“ Kunst verachtete, zurückgeht, ist eine schöne Pointe – und konsequent zugleich. Denn schon die Künstler der im frühen 20. Jahrhundert einsetzenden Avantgarden strebten nach Synästhesie, nach einer Erweiterung der Kunst in Richtung einer Verschmelzung verschiedener Sinneseindrücke – als Paradebeispiele lassen sich Kandinskys „Gelber Klang“ oder das futuristische Manifest von Carlo Carrà anführen. Im Jahr 1921 erklärte Duchamp ein Parfümflakon der Pariser Firma Rigaud zum Kunstwerk, etikettierte es allerdings als „assistiertes Readymade“ um: mit einem Porträtfoto seines weiblichen Alter Egos Rrose Sélavy (von Man Ray) und der Aufschrift „Belle Haleine: Eau de Voilette (auf Deutsch: Schöner Atem: Wasser der kleinen Verschleierung). Ab den 1960er Jahren erfährt der künstlerische Werkbegriff noch einmal eine entscheidende Öffnung durch die Hinwendung zum Alltag und direkten Einbezug des Betrachters.
Vor diesem Hintergrund wird man von der von Annja Müller-Alsbach kuratierten Schau, die das olfaktorische Potenzial unserer ästhetischen Wahrnehmung auszuloten versucht, getrost mehr erwarten können als ein schwelgerisches Eintauchen in Wellness-Feeling und Esoterik-Brimborium. Die gerade in unserer desodorierungswütigen Zeit vernachlässigte und gemeinhin als „niederer“ Sinn begriffene Riechwahrnehmung ist der komplexeste chemische Sinn des Menschen. Neben dem Geschmackssinn gehört sie zu seinen ältesten sensorischen Fähigkeiten. Unmittelbar mit dem limbischen System verbunden, ist der Geruchssinn extrem direkt und unkontrollierbar, zugleich eng mit der Erinnerung und Emotionen verknüpft. Was geschieht also, „wenn…