Silvia Breitwieser / Dietmar Kamper
Begreifen, ohne auf den Begriff zu bringen
EIN ZWIEGESPRÄCH ÜBER KUNST UND PHILOSOPHIE
Sprachlose Kunst, beredte Philosophie
S.B.: “Gespräch zwischen einem Philosophen und einer Künstlerin” hatten wir uns als Arbeitstitel vorgenommen: Aber: Was heißt hier Philosophie, und was heißt hier Kunst?
D.K.: Es geht zunächst darum, sich mit den Etikettierungen zu beschäftigen, um sie dann beiseite zu tun.
S.B.: Etikett hin, Etikett her: Die bildende Kunst ist eine Welt der Bilder, Formen und Konkretionen, und zwar materieller und immaterieller, innerer und hervorgebrachter Bilder. Ihre Gedanken sind a priori bildnerische Gedanken und von anderer Qualität als die Gedanken der Philosophie. Wir haben Sprachkünste, Tonkünste, darstellende Künste; von ihnen allen aber haben die bildende Kunst und die Baukunst die meiste Leiblichkeit: Selbst an der minimalistischen Künstlerarbeit oder pursten Concept-art hängt noch Schlacke oder hängen noch Kabel und damit die Widerständigkeit des Materiellen. So sehr z. Z. die Grenzen zwischen den einzelnen Künsten durchlässig sind, so tun doch gewisse begriffliche Eingrenzungen für ein Gespräch gut. Also, du hast einen denkenden, schreibenden und lehrenden Beruf. Deine Praxis sieht sehr anders aus als meine Praxis. Der gemeinsame Nenner bei einem Gespräch über unsere Berufe und ihr Verhältnis zueinander sind möglicherweise ähnliche Seh-, Fühl- und Denkweisen, aber unsere Filter, Bearbeitungsmethoden und Handlungssysteme sind grundverschieden. Bei dir die Gedanken-, Wort- und Schriftwelt mit sehr viel Kontakt, Diskussion und Kommunikation, bei mir die wortärmere, meist sinnenreichere, doch menschenleerere Arbeitswelt des Ausdrucks.
D.K.: Du greifst weit vor. Laß mich anders anfangen. Im Zusammenhang mit dem Gesamtthema “Kunst und Philosophie” habe…