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Magazin: Museen & Institutionen · S. 364 - 364
Magazin: Museen & Institutionen , 1987

Amine Haase
Begräbnis in Orsay

Museum des 19. Jahrhunderts in einem ehemaligen Pariser Bahnhof

Eigentlich sollte es ein Festtag für die Kunst werden: Ein Bahnhof ist in ein Museum umgebaut worden; viertausend Kunststücke – der Malerei, Bildhauerei, Fotografie, auch Erzeugnisse des Kunsthandwerks und Architekturmodelle – konnten auf 16(KM) Quadratmetern ausgebreitet werden; und dieses Kunstpanorama ist allein dem 19. Jahrhundert gewidmet. Aber die Eröffnung des Musée d’Orsay in Paris wurde zu einem Trauertag für die Kunst. Denn in dem neuen Museum am Seine-Ufer wurden nicht nur kunsthistorische Redlichkeit innenarchitektonischen Unterhaltungseffekten geopfert und ästhetische Kriterien durch Dekorationsansprüche brutal negiert, sondern es wurden Werke der wegweisenden Kunstrevolution des vorigen Jahrhunderts mit schamloser Kaltblütigkeit zu Grabe getragen.

Die Klage lautet: Mord an den Impressionisten, und wahrscheinlich wohlüberlegter. Denn relativ ungeschoren geht aus der innenarchitektonischen Materialschlacht nur die pompöse Salon-Kunst hervor. Es ist eine Schlacht mit schweren Geschützen: mit post-ägyptischen Mauern, Grüften, steinernen Wänden, Böden, Bänken und mit zahllosem Gitterwerk, das von der Eingangshalle, über Brücken bis zu den stahleingefaßten schweren Vitrinen ständig alle optischen Linien durchschneidet. Wie könnte ein so zartes Bild wie Monets “Elster” in verschneiter Landschaft mit winterlich langen Schatten auf einer Steinwand überleben, noch dazu zusammengepfercht mit der ähnlich empfindlichen Lichtmalerei von Bazille, Sisley, Pissarro, Boudin? Selbst bei Bildern von Millet und Daumier hat der Betrachter eher die Koordinaten der Steinwandfugen im Auge als die Konstruktionslinien der Gemälde.

Zwei, horizontale Reihen von Löchern, jeweils eine Reihe oberhalb und eine unterhalb der Bilder, schieben sich ständig ins Blickfeld; zwei Löcher der Reihe über den Gemälden werden…


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