Becoming indigenous
Über die Arbeit an neuen Wissensformen in der Kunst
von Herbert Kopp-Oberstebrink
Indigenes Wissen in einer Epoche der Endspiele
Kelly Reichardt
Welchem Wissen kann man sich in der Krise, in der größten Not, wenn schon alles verloren scheint, anvertrauen? Steppenartige Landschaften, scheinbar endlos sich erstreckende Weiten voller Wind, Staub und Gestein, mondartig leere fahle Ebenen, keine Bäume oder Gebüsche, Seen voll von ungenießbarem Wasser, eine erbarmlose sengende Sonne. Doch inmitten all dieser klimatischen wie geologischen Widrigkeiten und feindlichen Lebensumstände fehlt vor allem eines: die klare Orientierung, wohin die Reise gehen soll, wo die Rettung wartet. Und das zerstört jede Hoffnung.
Ist die Rede von einer Welt nach oder am Rande der Klimakatastrophe? Man könnte es meinen, auch was die ästhetische Anmutung der gezeigten Landschaft angeht. Doch wir befinden uns in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine kleine Gruppe von Siedlerinnen und Siedlern, die in Kelly Reichardts Film Meek’s Cutoff (2013) auf der Suche nach den Blue Mountains im Nordwesten der USA vom Oregon Trail abgekommen ist, irrt durch apokalyptisch wirkende, dystopische Landschaften.
Am Anfang des Films kratzt einer von ihnen „LOST“ in ein ausgetrocknetes Stück toten Holzes. Der weiße Scout, der einen „Cutoff“, eine Abkürzung, in Aussicht stellte, kennt ganz offenkundig den Weg nicht und verschleiert sein Unwissen mit vagen Vertröstungen. In der Begegnung mit einem „Indianer“ von der Nation der Cayuse tritt die latente Krise in der kleinen Gemeinschaft an die Oberfläche. Sollte dieses radikal fremde Wesen mit dem sprachliche Verständigung unmöglich ist, nicht vorsichtshalber getötet werden?
Doch während die Siedlerinnen und Siedler auf…