Hans-Dieter Fronz
Beauté animale
Grand Palais, Paris, 21.3. – 16.7.2012
Sind Tiere schön? Manche Spezies dürften das Attribut zweifellos für sich in Anspruch nehmen. Der majestätische Löwe, das edle Pferd, der eitle Pfau, der anmutige Schwan: In den Epitheta der Aufzählung drückt sich immer auch eine ästhetische Wertung aus, wie sie in unser Bild einzelner Arten einfließt.
„Beauté animale“, übersetzt: „Tierische Schönheit“ heißt die Ausstellung im Grand Palais in Paris mit mehr als 120 Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Fotografien – darunter Meisterwerke von Dürer und Rembrandt, Géricault und Courbet, Bonnard und Giacometti. Doch nicht für jede Spezies der artenreichen Menagerie ist der Titel passend. Die Dronte beispielsweise, wie der Schweizer Maler Jürg Kreienbühl sie sieht. Nach mitteleuropäischem Geschmacksurteil ist die flugunfähige, nur auf den Inseln Mauritius und Réunion im Indischen Ozean vorkommende und gegen Ende des 17. Jahrhunderts ausgestorbene Vogelart eine Spezies von bemerkenswerter Hässlichkeit: plump und unförmig, mit Watschelfüßen und riesigem Schnabel ausgestattet. Gegen sie gehalten wirkt noch der amerikanische Truthahn, wie ihn in der Schau einige mehr naturkundlich interessierte Darstellungen vergegenwärtigen, als wahrer Beau.
Doch der Parcours will ja kein Laufsteg fürs Defilé der schönsten Arten sein. Es geht vielmehr um so etwas wie die Geschichte der Tierdarstellung von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Tierdarstellungen gehören zu den ältesten künstlerischen Zeugnissen der Menschheit. Wohl als Teil des Jagdritus, magische Beschwörung von Jagdglück erscheinen Beutetiere an den Höhlenwänden von Lascaux. Dagegen dürften vorgeschichtliche Darstellungen von Raubtieren eine apotropäische, Gefahren abwendende Funktion gehabt haben. Indem der Mensch Tieren künstlerisch gestaltend gegenübertritt, löst er…