Maribel Königer
Beate Passow: »Mengenleere«
Chapel Art Center, Hamburg, 31.1. – 6.3.1996
Das Chapel Art Center liegt in der Alsterdorfer Bebelallee, im Erdgeschoß einer eleganten, weiß getünchten Hamburger Bürgervilla mit zum Wasser gelegenem Garten. Der jüdische Rechtsanwalt Rudolf Dehn hat sie sich zwischen 1929 und 1931 von dem Architekten Bernd Engel bauen lassen. Leider lesen wir im Katalog, den die Galerie zur Ausstellung von Beate Passow herausgegeben hat, nur, daß das Haus ein Treffpunkt für einen Teil der intellektuellen und kulturellen Hamburger Gesellschaft war, daß sich die in den fünfziger Jahren gestorbenen Geschwister von Rudolf Dehn Meriten in Mathematik und Musik erworben haben; und wir erfahren die Lebensdaten des ehemaligen Hausherrn: 1874-1938. Aber was ist 1938 mit Rudolf Dehn passiert? Starb er vor, während oder nach seiner Emigration? Seiner Deportation? Stimmt das Gerücht vom Selbstmord und wenn nicht, wie kam es in Umlauf? Und über welche Stationen kam sein Haus schließlich in den Besitz von Dorothea Keeser, die es zu einem Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst bestimmte? Auf Nachfrage erfährt man, daß Rudolf Dehn eines natürlichen Todes gestorben ist, die Familie 1939 nach England emigrieren konnte und Frau Keesers Vater das Haus 1955 von einem Notar erwarb. Zuvor hatte die britische Besatzung das von den Nazis beschlagnahmte Haus 1945 in ihre Verwaltung genommen. Ein deutsches Häuserschicksal, interessant nicht nur im Zusammenhang dieser Ausstellung, aber es ist ein Verdienst von Beate Passow, daß gerade sie solche Fragen aufwirft. Bis vor kurzem war den Leitern des Chapel Art Centers die Geschichte ihrer Galerie bestenfalls vage…
