MARTIN SEIDEL
Baselitz.
Bilder, die den Kopf verdrehen
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 2.4. – 8.8.2004
Er habe es sich, sagt Baselitz, anfangs nicht träumen lassen, einmal von seiner Kunst leben zu können. Die Beschlagnahmung zweier Bilder wegen pornographischer Inhalte und die öffentlichkeitswirksamen Kopfstände seiner Bilder ließen bald anderes erwarten. Nun sieht man seine Gemälde – den Kopf nach unten – sogar im Reichstag hängen, wo sie in Auseinandersetzung mit Caspar David Friedrichs “Frau am Abgrund” und “Schlafender Knabe” in frappanter Leichtigkeit eine aktualisierte Form deutscher romantischer Befindlichkeit repräsentieren.
Baselitz, der alte Rebell, steht als feste Größe im zeitgenössischen Kunstgeschehen. Er gehört zur Kategorie der Künstler, über deren Werk man kaum mehr als Ganzes spricht. Die zahlreichen Baselitz-Ausstellungen widmen sich bestimmten Werkkomplexen, speziellen Fragen, seiner Druckgraphik oder der Skulptur. Nachdem nun bald jedes Detail ausgeleuchtet ist, in Düsseldorf sogar seine Sammlung afrikanischer Kunst vorgestellt wurde, war die Zeit mal wieder reif für den globalen Draufblick der Retrospektive.
Die besorgt die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, die sich bereits mit großen Werkschauen von Gerhard Richter (1993/94) und Sigmar Polke (1997) hervorgetan hat. Von den frühen Heldenbildern und den “Fraktur”-Bildern über die kopfstehenden Fingermalereien, die “Orangenesser”-Serie und den “Motiv”-Bildern hin zu den Hervorbringungen der letzten Jahre präsentiert die Bundeskunsthalle mit hundert Gemälden und dreißig Skulpturen alle Etappen des malerischen Werks des 1938 als Hans-Georg Kern in Deutschbaselitz geborenen Künstlers in säuberlich voneinander getrennten Phasen. Dazwischen bunt eingestreut sind die seit 1980 entstandenen, mit Schnitzmesser, Meißel, Axt oder Kettensäge traktierten grobschlächtigen Holzskulpturen.
Die…