Johannes Meinhardt
Barbara Bloom
The Reign of Narcissism
Württembergischer Kunstverein, 8.2. – 11.3.1990
Kunsthalle, 31.3. – 27.5.1990
Serpentine Gallery, 1.8. – 9.9.1990
Barbara Blooms Installation “The Reign of Narcissism” erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, eine Sammlung von historischen Einrichtungsgegenständen für ein repräsentatives Zimmer um 1800 (vielleicht in einem kulturhistorischen Museum) zu zeigen, etwa aus der strengen und klassizistischen Einrichtung eines deutschen Gelehrten, der seinen Geschmack nach Winckelmann und einem pathetisch-harmonischen Bild des antiken Griechenlands gebildet hat. Die Orientierung am Vorbild der griechischen Kunst führte in dem gelehrten Klassizismus der deutschen Bildungsbürger dazu, sich mit Abgüssen und Nachbildungen antiker Plastiken, Reliefs und Kunstgegenstände zu umgeben und antike Kunst als Vorbild auch der eigenen Subjekt- und Charakterbildung zu verstehen. Am Vorbild eines normativ interpretierten antiken Menschenbildes richtete sich das Selbstverständnis und das Ich-Ideal eines Bürgertums aus, dessen politischer und gesellschaftlicher Status durch die ausgebliebene bürgerliche Revolution ungeklärt blieb und das deswegen in das geistige Reich der Bildung und Wissenschaft emigrierte.
Die Frage nach seinem gesellschaftlichen Ort als Individuum, als privat selbstbestimmtes, politisch aber unterworfenes Subjekt, die sich um 1800 ein deutscher Bildungsbürger stellte, ist nur eine Ausformung der Frage des Narziß: Wer bin ich, der ich mich auf nichts als auf mich selbst berufen kann, der ich kein Objekt des Begehrens kenne als mich selbst? Der tiefe Zusammenhang von dem, was unter dem Namen Narzißmus meist nur als simple Eitelkeit oder Eigenliebe wahrgenommen wird, und der unbeantwortbaren Frage nach dem Wesen oder der Substanz dessen, das sich selbst “Ich” zu nennen gelernt hat, zeigt sich um…