AMINE HAASE
Balance auf der Zeitlinie
“Der Zwang der Wiederholung”
Ancien Pénitencier Cantonal, Sion/ Schweiz, Juni bis September im Rahmen des Festival Tibor Varga 2001
Wiederholung. Was könnte langweiliger sein als sie? Weiß ich doch schon, hast Du schon mal gesagt! Was aber auch käme einer Wiedergeburt näher? Der tägliche Sonnenaufgang, das alltägliche Aufstehen. Was bedeutet strengere Ritualisierung? Von den Büro- bis zu den Jahres-Zeiten. Und was verspricht mehr Erfolg? Beim Vokabel-Pauken oder Klavier-Spielen. Kein Wunder, dass ein Musiker auf eine solche Idee kommt: Die Wiederholung, die Repetition, zum Thema zu machen. Hat nicht der Zuruf “da capo” für ihn den schönsten Wohlklang? Der Pianist, Scarlatti- und Schubert-Spezialist, Christian Zacharias stellte das Festival von Sion/Schweiz unter das Motto der Wiederholung. Musikalisch erarbeitet er mit seiner Meisterklasse in dem malerischen Schweizer Ort nicht fern des Genfer Sees die “Vexations” von Eric Satie. Für die hatte der französische Komponist (1866-1925) sage und schreibe 840 “répétitions” vorgesehen. Das aus nicht mehr als 144 spielbaren Noten bestehende und “sehr langsam” zu spielende Stück hat Satie mit 26 Jahren komponiert. Erst siebzig Jahre danach erklang es öffentlich – initiiert von John Cage, der von neun Pianisten dabei unterstützt wurde. 14 Stunden dauerte das Konzert im New Yorker Pocket Theatre, und zehn Kritiker der New York Times lösten einander beim Zuhören ab. Zacharias’ Meisterschüler brachten es auf hundert Wiederholungen der “Vexations” – vor einem andächtig lauschenden Publikum.
Vor ebenso aufmerksamen Publikum hielt Zacharias einen von pianistischen Einschüben begleiteten Vortrag zum Thema “Der Wanderer”. Und der scheint eher einer sich…