Raimer Jochims
Avantgardismus und Gemythlichkeit
Antwort an Johnen/Schöttle
Im Militär ist Avantgarde die Vorhut,
die kundschaftet. Avantgardismus ist
Berufsverbot ohne Feind.
Im KUNSTWERK (Febr. 1978) veröffentlichte ich eine Kritik an Johnens Skulptur-Aufsatz im Münsteraner Katalog. Johnen und Schöttle antworten darauf im KUNSTFORUM (Band 26). Bei den Lesern des Kunstforums kann man meinen Aufsatz nicht als bekannt voraussetzen. Schöttles Zusammenfassung traf den Kern der Argumentation nicht.
Es ging mir weniger um eine Andre-Kritik als um eine Kritik der Fortschrittsideologie, wie sie Johnen – nicht zufällig – an Andre exemplifizierte. Bei mir floß eine Kritik an Andre mit ein, die – zugegeben – zu pauschal war.
Meine Kritik läuft auf zwei Aussagen hinaus: l ) Johnen huldigt einem Geschichtsfortschrittsdenken in der Skulptur von Rodin über Brancusi zu Andre. Dabei werden Rodin und Brancusi zu Schrittmachern degradiert und in ihrer Qualität nicht erkannt. Spiritualität, Expression und Sinnlichkeit werden abgewertet zugunsten von Andres Intellektualismus. 2) Andre’s Absage an Subjektivität und Metaphysik und die Identifizierung mit dem physikalisch-materialistischen Weltbild wird von Johnen als Fortschritt, von mir als Unterwerfung unter die herrschenden Verhältnisse gesehen.
Andres ‘Platten’ sind zwar von radikaler intellektueller Konsequenz, aber um den Preis der Verkümmerung, wenn nicht Unterdrückung, der Subjektivität, der Sensualität, Existenzialität, Intuition. In diesem Sinne nannte ich sie eindimensional.
Die Abspaltung des Bewußtseins vom Unbewußten und Vorbewußten, die Ablösung der Theorie von der sinnlichen Wirklichkeit der Kunst und die Unreflektiertheit der eigenen philosophischen Prämissen bei Johnen nenne ich Ideologie.
Der Ideologiecharakter steckt aber schon in Andres Werk, besonders in den ‘Platten’. Alle anderen, oft weniger programmatischen Versuche Andre’s…