Rainer Unruh
Avantgarderobe
»Kunst und Mode im 20. Jahrhundert«
Kunstmuseum Wolfsburg, 6.3. – 6.6.1999
Der Stoff, aus dem die Modeträume sind, ist Metall. So jedenfalls sah es Paco Rabanne 1968. Damals tauschte er Nadel, Faden und Fingerhut gegen Zange, Blechschere und Draht. Seine “Robe mini” aus verketteten Aluminiumplättchen schmiegt sich der Figur an. Sie ist keine Rüstung, die von der Außenwelt abkapselt, sondern ein Banner, das ein popmodernes Einverständnis mit der urbanen Architektur aus verspiegeltem Glas und schimmerndem Metall signalisiert. Und sie ist eines der auffälligsten Exponate der Ausstellung “Avantgarderobe”.
Mehr als 250 Kostüme, Gemälde, Modelle, Fotos und Zeichnungen hat Kurator Peter Wollen ausgewählt, um die Wechselbeziehungen zwischen Kunst und Mode in unserem Jahrhundert zu veranschaulichen. Im schummrigen Kunstlicht der aus konservatorischen Gründen abgedunkelten Halle schimmert die Seide in den Vitrinen. Safrangelb strahlt das von Henri Matisse 1920 für Strawinskys “Le chant du Rossignol” entworfene und handbemalte Gewand. Musik- und Tanztheater, speziell Sergej Diaghilews Ballet Russe in Paris, waren in den Jahrzehnten vor und nach dem Ersten Weltkrieg das wichtigste Forum für Künstler, die ihre avantgardistischen Kleider der Öffentlichkeit vorstellen wollten. Fernand Léger skizzierte Kostüme für das Ballett “Eislaufbahn” (1921), Oskar Schlemmer dachte am Bauhaus über neuartige Kleider für moderne, technophile Tänze nach. Andere Künstler arbeiteten direkt mit Modeschöpfern zusammen. Gustav Klimt war mit der Textilgestalterin Emilie Flöge verheiratet, Raoul Dufy zeichnete und Man Ray fotografierte für den Couturier Paul Poiret.
Nach der Oktoberrevolution drängte es die russischen Konstruktivisten heraus aus dem engen Zirkel bürgerlich-aristokratischer Hochkultur. 1922 konzipierte Alexander Rodschenko einen Anzug für Proletarier….