[] Ein Gespräch mit Wolfgang Tillmans
»Authentisch ist immer eine Frage des Standpunkts«
EIN GESPRÄCH VON MARTIN PESCH
Wolfgang Tillmans, der 1968 in Remscheid geboren wurde, gehört seit einiger Zeit zu den Fotografen, die einen gleichermaßen guten Ruf in der Kunstwelt wie in den Bildredaktionen großer Magazine genießen. Seine auf den ersten Blick meist informell und beiläufig erscheinenden Fotos von Jugendlichen und verschiedener jugendkultureller Szenen wurden in den Medien oft als authentische Abbildung der “Jugend ’95” rezipiert. Insbesondere nach dem 1995 im Taschen Verlag erschienenen Fotoband wurde Tillmans auf diesen Aspekt seiner Arbeit festgelegt. Unterschlagen wurde dabei der inszenatorische Ansatz seiner Fotografie sowie der hohe Reflexionsgrad der Vermittlungsrolle öffentlich kursierender Fotos von Menschen. Tillmans hat Anfang der 90er Jahre in Bournemouth, England, studiert und lebt seit 1994 in New York. Das Interview wurde anläßlich der Ausstellung im Portikus, Frankfurt/M., September 95, per Fax geführt.
*
M. P.: Als ich aus der Portikus-Ausstellung kam, begegnete mir eine Gruppe Jugendlicher. Mir kam der Gedanke, daß man mit ihnen in deine Ausstellung gehen sollte. Ihre Reaktion stelle ich mir als eine Mischung aus Begeisterung, weil sie viele Dinge aus ihrem Leben dort sehen würden, und Verstörung vor, weil sie eben diese Dinge anders dargestellt sehen würden, als sie es von der normalen Bebilderung ihrer Welt, ihrer Jugend etc. her kennen. In dieser Vorstellung steckt natürlich wiederum die Annahme, Jugendliche seien prädestiniert für einen pädagogischen Zugriff. Aber das beiseite: Spürst du diesen pädagogischen Impetus?
W. T.: Weil ich daran interessiert bin, meine Sicht der Dinge zu verbreiten, könnte…