Michael Hübl
Ausgebürgert. Künstler aus der DDR 1949 – 1989
Albertinum Dresden, 7.10. – 12.12.1990
Kleine Deichtorhalle Hamburg, 10.1. – 1.3.1991
Jetzt geht es anders herum. Die Verhetzten, Verketzerten, Verschmähten, die unsoliden Subjekte, verantwortungslosen Gesellen, denen man staatsbürgerliche Reife abgesprochen hat – sie sind nun dran. Den vormals Geächteten widerfährt späte Gerechtigkeit, denn der Ruhm eines renommierten Hauses leuchtet über ihren Werken. Schon bald nach dem Fall der Mauer bemühte sich das Dresdener Albertinum um eine Ausstellung mit Arbeiten jener Künstler, die es in der DDR offiziell gar nicht gab: Sie hatten zwar nicht das Land, aber ihren Staat verlassen. Sie waren “ausgebürgert”. Unter diesem Stichwort hat sie Werner Schmidt, der neue Generaldirektor der Dresdener Museen, zurückgeholt in die Gefilde der Anerkennung und Wertschätzung. Es herrscht Wendezeit: Rot sind nur noch Titel, Signet, Verlagsname auf dem Katalog, und an die Symbole der roten Macht von ehedem erinnert nur noch der letzte Buchstabe des Ausstellungsmottos, der – gewollt oder nicht – einem Hammer ähnelt.
“Ausgebürgert” als kleinster gemeinsamer Nenner für 360 Arbeiten von 170 Künstlern – was heißt das ins Kulturpolitische übersetzt? Wiedergutmachung? Siegergestus? Neubeginn? Klärung? Oder einfach: Machtwechsel? Mit schlichten Schablonen ist die Dresdener Retrospektive auf 40 Jahre ausgegrenzter Kunst nicht zu etikettieren. Denn die Ausstellung ist so gemischt wie die Gefühle, die mancher hatte, als er merkte, welche Gesellschaft da zusammenkam. Hans Jürgen Scheib, Maler, Graphiker und Bildhauer, zeitweise Ausstellungsorganisator am Prenzlauer Berg, schrieb Schmidt im Juli: “Es macht mir Gänsehaut, als Teil eines historischen Phänomens etwa neben jemandem zu hängen, der…