Jochen Becker
Ausbruch der Zeichen
Künstlerwerkstatt Lothringer Straße, München,21.1. – 5.3.1995
Die Münchner Ausstellung ‘Ausbruch der Zeichen – An den Schnittstellen rassistischer und sexistischer Zuschreibungen’ reichte am Ende noch bis in die Faschingszeit hinein, welche in Bayern recht derb begangen wird. Nie sonst sieht man so viele Farbige, Indianer und Araber auf der Straße oder treten Männer in Frauenkleidern auf. Während der enthemmten Zeit werden rassistische und sexistische Zuschreibungen jedoch häufig auch in die Tat umgesetzt, Frauen angemacht, Schwule schickaniert oder “Ausländer” attackiert. Zu verdeckten Verkleidungs-Rassismen in Karneval, bei Westernfilmen oder im Urlaub trug Marion von Osten zahlreiche Beispiele zusammen: Aus den privaten Fotoalben ihrer Bekannten stellte sie eine Sammlung von exotisch Kostümierten zusammen, befragte Darsteller der im wilden Osten gedrehten DEFA-Western oder untersuchte auf Klapptafeln die Ethno-Kulisse von Holiday-Parks.
Daß die Mythen vom Bastrock-Wilden sich seit Jahrhunderten tradieren, läßt sich an der Wandarbeit “Komm, verschling mich nochmal” der in Buenos Aires und Berlin lebenden Künstlerin Julia Diez ablesen: Auszüge aus des Seemanns Hans Staden Erlebnisbericht ‘Brasilien – Die Wahrhaftige Historie der wilden, nackten, grimmigen Menschenfresser-Leute 1548-1555’, alte Holzschnitte kannibalistischer Feiern und Portraits ihrer lateinamerikanischen Freunde, denen die Künstlerin feinlinige Gesichtszeichnungen der Caduveo-Indianer applizierte, führen 500 Jahre Kolonialgeschichte vor. Hilfreich hierzu ist der Katalogbeitrag von Martin Ramstedt, welcher mit einem ethnologischen Blick auf Variablen im Geschlechterverhältnis Hinweise gibt auf die Ermordung sogenannter ‘Sodomisten’ durch spanische Eroberer von Panama. Transsexuelle, Matriarchat oder Gleichgeschlechtlichkeit sind hiernach Opfer einer durch Modernisierung vollzogenen Zwangsheterosexualisierung im Zuge der Religionskriege. Eine Diainstallation des Schweizer Künstlerduos Biefer/ Zgraggen mit dem…