Aus der Vogelperspektive
Anmerkungen zur Documenta IX –
Auftakt Pressekonferenz am 14.1.1992 in Kassel
Von Reinhard Ermen
Erst Gent, dann Weimar – jetzt ist Jan Hoet ganz in Kassel. Zum Auftakt der DOCUMENTA IX lud er auf seine Akropolis, in die neue documenta-Halle. Der 2100 Quadratmeter große Bau nimmt von Anfang an für sich ein. Die Architekten Jochem Jourdan und Bernhard Müller haben ihn mit souveränem Schwung in den Hügel vor das Staatstheater gesetzt, ein Riegel von 150 Meter Länge, der an der breitesten Stelle 20 Meter mißt. Von der 270 Quadratmeter großen “Seitenlichthalle” tritt der Besucher in die etwa vier Meter tiefer liegende “Große Halle”, die mit 700 Quadratmetern schon die Hälfte der Ausstellungsfläche ausmacht und 11 Meter hoch ist. Sie ist mit Helligkeit übergossen dank der großen Oberlichter. Jan Hoet spricht von seiner “Kirche”! Nüchterner gesagt, ist das ein Aktionsraum, der in einem kleinen Kabinett ausläuft. Parallel zur Seitenlichthalle liegen noch drei großzügige “Kabinette”, ebenfalls mit Oberlicht und wie die “Seitenlichthalle” 7 Meter hoch. Die gesamte Architektur ist einfach, elegant und zweckmäßig; fast schon ein wenig ungewöhnlich für Kassel, wo bislang kleinbürgerliche Lösungen bevorzugt wurden. Nicht von ungefähr spricht man in Kassel deshalb auch von einer “Stadtreperatur”; die Halle soll den Blick von der Karlsaue, der in den 50er Jahren durch das klobige Staatstheater kaputtging, neufassen. So ist der Neubau auch mehr als ein Ersatz für die Orangerie, in der bekanntlich ein physikalisches Kabinett einziehen soll, schließlich ist die Stadt auch reich an Schätzen der Technikgeschichte. Schon die Existenz dieser Architektur…