RAINER METZGER
Augenblick. Foto/Kunst
Sammlung Essl, Klosterneuburg bei Wien, 15.2. – 30.6.2002
Unter den vielen Virtuosenstücken der vormodernen Malerei besetzt Caravaggios “Medusenhaupt”, heute in den Uffizien zu bewundern, eine besondere Position. Ein durchaus schrecklicher Blick geht von diesem Kopf aus, doch das eigentliche Horrorszenario ergibt sich zum einen aus den Schlangen, die das Antlitz überwuchern, und zum anderen von dem Gekröse aus Blut und Adern, das an der Stelle sitzt, an der einst ein Hals war. Caravaggio hat sein Demonstrationsobjekt einer runden Scheibe appliziert und damit der mythologischen Vorgabe angeglichen. Der Held Perseus, so will es die griechische Geschichte, kam der Schreckensgestalt Medusa, deren Angesicht zu versteinern vermochte, dadurch bei, dass er ihr nicht in Auge sah, sondern seinen Schild dazwischenschob. Ein gezielter Schwerthieb und vorbei war es mit der legendären Vorführung, dass Blicke töten können.
Philippe Dubois hat in seiner mittlerweile sehr einschlägigen Studie über den “fotografischen Akt” Caravaggios Gemälde eine lange Passage gewidmet. Was der Stammvater eines malerischen Naturalismus festgehalten habe, sei, so Dubois, jener winzige Moment, an dem die Meduse sich selbst im Schild erblickt, einem starren Entsetzen verfällt und in die Versteinerung übergeht, ohne doch schon ganz tote Materie geworden zu sein. Exakt jene Hundertstel- oder Tausendstelsekunde, die es gestattete, das leblos werdende mythische Fleisch noch wegzuschneiden, sei bei Caravaggio fixiert: “Der Schwerthieb des Helden erfolgt genau im Augenblick der Selbstversteinerung, in der unendlich winzigen Mitte dieses Augenblicks, der gerade stattfindet, in dieser Spanne, mag sie auch bloß theoretisch sein.” Dubois’ interpretatorische Tour de Force setzt ganz auf den…