Auf Dienstreisen
Wer nicht nach Deutschland marschieren will, muss in den Süden: Sabine Vogels Kunstreportagen
Da saß sie an einem mit Manuskripten voll beladenen Redaktionstisch und erläuterte sanftmütig den freien Autoren, warum der Artikel umgeschrieben werden muss. Zierliche Gestalt, gut gelaunt, hautenge schwarze Lederhosen: Sabine Vogel, Kulturredakteurin der taz. Meine erste und beste Redakteurin. Ihr journalistisches Credo hieß Stilbruch, ihr Interesse galt solchen ungewöhnlichen Schreibperspektiven, in denen sich Phänomene des Alltagslebens als ästhetische Widerstandsformen gegen das langweilige Leben kristallisieren.
Jetzt hat sie ein Buch in der von Thomas Kapielski herausgegebenen Reihe “Uschi – Die gute Frau” veröffentlicht. Zwar suggeriert der Titel Auf Dienstreisen Reportagen im Schatten der Kunst, doch eher ist das Buch ein biografischer Reise- und Abenteuerroman geworden. Sabine Vogel privat: Liebesgeschichten in Johannesburg, Durchfall in Hanoi, Trunksucht in Kasachstan. Wo sie war, muss das Leben noch aufregend sein, selbst wenn das Bier, wie in Saigon, lauwarm und schal schmeckt. Und dass im türkisblauen Ozean bei Na Thrang, “wo schon die GIs am Strand entspannten”, Leichenteile aus einem nahen Friedhof schwimmen, hält sie nicht vom Baden ab. Lakonisch hält sie den Augenblick fest: “Hier kann man B-52 Cocktails schlürfen und Kriegsversehrte mit fantasievollen Prothesen beobachten”. Weiter geht die Reise zu den Tunneln von Vieth Moc und nach My Lai, wo die US Army ein Massaker unter den Zivilisten verübte. Schwitzende Touristen, fliegende Händler, Schwärme von Zigaretten verkaufenden Kindern – diese Orte verbreiten jetzt den Schrecken des Kriegstourismus.
Ein elegischer Realismus durchzieht die Natur- und Selbstbeobachtungen, ein Gespür für die Dramatik der unscheinbaren Dinge…