Douglas Gordon
Auf der Rückseite des Spiegels
EIN GESPRÄCH VON AMINE HAASE
Feature Film” nennt Douglas Gordon seine Arbeit, die er als Preisträger des Central-Kunstpreises im Kölnischen Kunstverein vorgestellt hat. Dieser “Hauptfilm” besteht aus Musik, in die wir räumlich eintauchen, und aus extremen Nahaufnahmen, die den Dirigenten zeigen sowie den menschenleeren Raum. Das Orchester der Pariser Oper, das von James Conlon dirigiert wird, rückt nicht ins Bild, kein Zuhörer, nur rote Samtsitze. Bei konzentriertem Hinhören, selbst in die Stille, erkennen wir Bernard Herrmanns Musik zu Alfred Hitchcocks “Vertigo”. Auch wenn das Auge sich auf die Hand, das angeschnittene Gesicht, den Oberkörper des Dirigenten konzentrieren mag, tauchen aus der Erinnerung die Filmbilder auf: James Stewart und Kim Novak in tragischer Verkettung, verirrt in einem Orientierungssystem, dessen Bezugspunkte sich mit dem Verlust der eigenen Identität extrem verschieben.
“Vertigo”, das in “Höhenangst” gespaltene Ich der Hauptfigur Scottie, bietet Douglas Gordon ideale Möglichkeiten, die Doppeldeutigkeit der Bilder zu demonstrieren – und das ohne Hitchcocks Filmbilder, allein mit Musik und Stille, punktiert durch die Gesten des Dirigenten. Bei der Arbeit, die den 1966 in Glasgow geborenen Künstler auf Anhieb bekannt machte, bei “24 Hour Psycho”, dehnte Gordon einen anderen berühmten Hitchcock-Film auf 24 Stunden – und ließ den Ton weg. Dadurch wurde Hitchcocks artistisch gemilderter Voyeurismus in fast unerträglichen Realismus verwandelt und die Kunst der Komplizenschaft überführt. Jetzt, sechs Jahre später, bleibt von “Vertigo” allein die Musik übrig – und unsere, oft ach so trügerische, Erinnerung an die Bilder. Gordon katapultiert den Zuhörer / Zuschauer in die Rolle…