Andreas Denk
Auf dem Weg zum neuen Gefühl?
Ein Kongreß zum »Tasten« in der Bundeskunsthalle
Feel me, touch me, heal me, kill me”: Die Neufassung eines alten Marc-Bolan-Hits aus den siebziger Jahren, die die britische Pop-Combo UB40 kürzlich veröffentlichte, bringt es an den Tag: Der Tastsinn ist “in”. Insofern lag auch der fünfte Kongreß der interdisziplinären Serie “Die Zukunft der Sinne” in der Bundeskunsthalle, der sich dem Thema “Tasten” widmete, am “Puls der Zeit”.
Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Künstler und “Experten” näherten sich in Vorträgen, Diskussionen und Vorführungen dem Phänomen der Tastwahrnehmung: Aufgeboten waren unter anderen die Literaturwissenschaftlerin Barbara Korte (Chemnitz), der Wiener Dichter und Komponist Gerhard Rühm, die Journalistin Barbara Sichtermann, der Handchirurg, Musiker und Erfinder Robert Markison (New York) und die Sprecherin der Prostituierten-Selbsthilfeorganisation “Huren wehren sich gemeinsam” (HWG), Cora Malloy, als “Gummi-Bondage”-Expertin.
Argumentativ besonders anspruchsvoll, aber mit der Formulierung einer neodarwinistischen These anfechtbar verlief der Beitrag von Robin Dunbar (Liverpool): Er ging von der Beobachtung aus, daß die soziale Körperpflege (“Grooming”) bei Affen nicht nur der Hygiene, sondern auch der Vergewisserung persönlicher Beziehungen und der Festigung der “Herde” dient: Dabei nimmt die Pflegetätigkeit um so mehr Zeit ein, je größer die Gruppe ist. Dunbar konstatierte sodann eine Abhängigkeit der Gruppengröße von der zuständigen Neocortex des Gehirns und extrapolierte daraus schließlich den prozentualen Anteil des “Groomings” am Tagesablauf, der für Menschen etwa 40 Prozent betragen müßte. Die besonderen Lebensumstände der menschlichen “Jäger-Sammler-Gesellschaft” verhindern jedoch eine derartig lange Körperpflegephase, so daß der Mensch zum Ausgleich Sprache entwickelte, die, so Dunbar, auch unter Akademikern zu…