Atlas Mapping
Ausstellung und Buch über Künstler als Kartographen*
Als kleiner Junge hatte ich eine Leidenschaft für Landkarten. {…} Damals gab es noch viele weiße Flecken auf der Erde, und wenn ich auf der Karte einen sah, der besonders einladend aussah {…}, legte ich meinen Finger darauf und sagte: Wenn ich groß bin, geh ich dort hin.
Marlow in Joseph Conrads Roman
»Herz der Finsternis«
Es ist leicht, Landkarten als ästhetisches Material zu verwenden, obschon es ein “abgekartetes” Spiel ist. Dinge abstrahieren, also weglassen, muß jeder künstlerische Kartenmacher, und mehr noch, er muß hinzuerfinden: Straßen verändern, Flußläufe verschlängeln, Landschaften verzerren, Schlachtenpläne verklären, Weltkugeln verfälschen, alte Karten übermalen oder sogar verknäueln – alles Manipulation. Die Künstler als Kartographen opfern die Wahrheit der Fiktion. Sie nehmen “Die Neuaufteilung der Welt” (Carsten und Olaf Nicolai) vor.
Jede Karte ist im zweifachen Sinn Projektion: Projektion einer verzerrten Welt (und auch einer nur zur Hälfte repräsentierten Welt, denn wo bleiben der Lärm, der Gestank, die totgefahrenen Kinder), und zugleich ist es ein Blatt Papier, das die Projektionen des Zeichners beinhaltet.
Die berühmte Mercator-Projektion, heute noch Hintergrundbild der Fernsehnachrichten, erleichterte die Navigation und setzte sich deshalb durch. Eine weitere Eigenschaft dieser Projektion ist allerdings die überproportionale Aufblähung Nordamerikas und des Ostblocks – sie stellte den kartographischen Überbau des kalten Kriegs dar. Der deutsche Historiker Arno Peters verbreitete in den siebziger Jahren eine flächentreue Projektion, die Afrika und Südamerika mehr Platz zubilligte (Asien freilich nicht), und galt so bei der UNO als politisch korrekt; die Peters-Karte vermittelt manchem Dritt-Welt-Verein das Weltbild.
Der Alltag der…