Hajo Schiff
ATLAS
»How to Carry the World on One’s Back?«
Deichtorhallen, Hamburg, 1.10. – 27.11.2011
Es geht ums Ganze. Oder genauer darum, wie das Ganze in Natur und Kultur so veranschaulicht werden kann, dass es sinnhaft erfassbar wird. Es gilt also, die unermessliche Menge der Erscheinungen in den ordnenden Griff zu bekommen und einer Idee zu verpflichten. Künstler aber nutzen das atlantenmäßige Ordnen gerne subjektiv und ironisch, um haarsträubend abseitige Zusammenhänge zu erzwingen.
Referenzobjekt der von Georges Didi Huberman kuratierten umfangreichen Ausstellung „ATLAS“ – der französische Philosoph und Kunsttheoretiker hatte in der Planungsphase 15tausend Scans dazu in seinem Lap-Top – ist das Bemühen des Hamburger Kulturwissenschaftlers Aby Warburg (1866–1929) mit einem etwa 40 Tafeln umfassenden Atlas ab 1925 die Bildtradition Europas neu zu sortieren. Die Pinnwand-Sammlung von über 1.500 Fotos sowie Briefmarken, Zeitungsausschnitten und Werbeetiketten war nach der altgriechischen Göttin der Erinnerung „Mnemosyne“ benannt. Diese ist die Mutter der Musen und stammt aus dem Göttergeschlecht der Titanen.
Der Titanensohn Atlas wurde von Zeus dazu bestimmt, das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern zu tragen. Dies machte ihn zum Schutzherrn der Astronomen und der Geographen. Und da auch ein Buch mit vielen Tafeln das Bild der Welt trägt, heißen solche Sammlungen im heutigen Sprachgebrauch ebenfalls Atlas. Künstler aber schultern gerne eigene, ungewöhnliche Klassifizierungssysteme und hoffen anhand überraschender bildlicher Wahlverwandtschaften auf eine neue Wissensproduktion, die bislang verborgene Perspektiven erschließt. Mit dem Bezug auf Aby Warburg ist die zuvor in anderer Form in Madrid und Karlsruhe gezeigte interdisziplinäre Ausstellung mit Arbeiten von über 115 Künstlern und künstlerisch notierenden…