Uta M. Reindl
Atelier van Lieshout
Stadt der Sklaven
Museum Folkwang, 25.04.08 – 06.07.08
Eine sich selbst versorgende Stadt, die den eigenen Energiebedarf deckt und ökologisch durchdacht ist – in Zeiten der Angst um die Rohstoffe eine Traumvorstellung. Diese hat das niederländische Künstlerkollektiv Atelier von Lieshout (AVL) entwickelt und präsentiert das zwischen 2005 und 2008 entwickelte Stadtprojekt in einem Ensemble aus gezeichneten und gedruckten Schemata, Skulpturen und Installationen im Museum Folkwang. 200 000 Menschen, so stellt sich das seit 1995 bestehende AVL vor, sollen auf einem Areal von 60 Quadratmetern wohnen und mehr als das Dreifache des Startkapitals erwirtschaften. Keine schlechte Perspektive! Der von Kraftstoff- und Elektrizitätsimporten unabhängige Stadtstaat bleibt autark durch Biogas-, Solar- und Windenergie. Eigentlich alles, was eine urbane Utopie braucht – wenn es denn eine wäre!
Allein der Titel Stadt der Sklaven, wie das Atelier van Lieshout sein in Essen vorgestelltes Projekt nennt, spricht dagegen, dass die AVL-Vision als utopische intendiert ist. Weder handelt es sich um das seit der Antike immer wieder entworfene ideale Staatswesen noch um den fernen Ort für den freien Menschen, wie ihn der Humanist Thomas Morus 1516 ersann. In der Linie anti-utopischer oder dystopischer Zukunftsentwürfe, die es ja erst ab dem 20. Jahrhundert gibt, liegt das von AVL projizierte Modell, lässt aber im Unterschied zu den modernen Dystopien an sich positive Konzepte von der totalen Selbstversorgung und Ökologie zu einem totalitären Schreckenszenario umkippen, wenn in seiner Stadt der Sklaven auch der Mensch (erfreulicherweise nach dem Tod) recycelt wird.
Und ihre höchst ambivalente und ansatzweise erschreckend aktuelle…