CHARLES J. LUMSDEN
Ästhetische Kämpfe für einen verkörperten Geist
Nehmen wir einmal an, daß ich zu Ihnen komme und die Verdienste einer Malerei anpreise, die ich gerade gesehen habe. Wie wunderbar ist das Bild! Ihre eigene Bewertung weicht jedoch davon ab. Selbst in einer ausgedehnten face-to-face-Begegnung mit dem Kunstwerk finden Sie an ihm wenig Interessantes – nur eine mäandrierende Struktur von farbigen Punkten und Klecksen. Häßlich. Schlimmer: uncool.
In dieser fiktiven Begegnung scheint eine Nicht-Übereinstimmung über die Attribution eines ästhetischen Wertes vorzuliegen, und man mag sich fragen, ob es eine systematische oder zumindest vernünftige Möglichkeit gibt, unsere Differenz aufzulösen. Sollte einer von uns dazu gebracht werden, einen Irrtum bei der Urteilsfällung zuzugestehen, selbst wenn wir beide einräumen, daß unsere Wertschätzung nicht vom Werk selbst ausgeht, sondern von der Weise, wie wir es betrachten? Gibt es, mit allen totalisierenden Risiken, eine universelle Zustimmung, die am Ende der ästhetischen Auseinandersetzungen wartet? Oder geht der Tanz in alle Ewigkeit weiter?
Von größter Bedeutung in bezug auf Totschlagargumente bei Auseinandersetzungen über künstlerische Leistungen sind einige neue Ideen vor allem darüber, wie der verkörperte Geist funktioniert, wenn er etwas beurteilt oder Kunstwerke schafft. Heute beschäftigen sich Wissenschaften, besonders die Neurowissenschaft und die Kognitionspsychologie, im Verein mit der Philosophie mit der Wahrnehmung, der Bewertung und dem Urteilsvermögen. Jeder, der von der Idee des Gehirns als einem nichtlinearen Medium für das Kunstmachen angetan ist, wird darüber erstaunt sein, daß Kunst und ihre Bewertung in unserer Gattung weder jüngeren Datums noch geographisch begrenzt sind. Alle beobachteten Kulturen haben Objekte, die sie…