NOEMI SMOLIK
Aspekte der Skulptur
ZWISCHEN FESTER FORM UND GRENZENLOSIGKEIT
Man glaubt, eine Werkstatt zu betreten, in der frischlackierte Platten zum Trocknen ausgelegt sind. Sie liegen einige Zentimeter über dem Boden auf dünnen Holzlatten. Die frische Farbe ist von feuchtem Glanz, in ihr spiegeln sich Raum, Fenster und das einfallende Licht. Man schreitet um die Platten herum, angezogen durch deren farbige, glatte Oberfläche, und plötzlich ist man sich nicht mehr sicher: Sind es monochrome Bilder, Skulpturen als Anspielung an die Bodenplatten des Minimalisten Carl Andre?
Adrian Schiess erkämpft, wie inzwischen fast alle Zeitgenossen, seinen Werken einen realen und geistigen Freiraum in zweierlei Hinsicht. Durch den environmentalen Anspruch wird jeder Einordnungsversuch zum Abenteuer. Die Skulptur ist stillos, denn das einzelne Objekt, die klassische und die moderne Skulptur, ist längst begraben. Eine lockere Auswahl von documenta-Künstlern und Positionen soll beweisen: Stillos ist nicht formlos und keineswegs charakterlos.
Die Assoziation mit dem Minimalismus bei Schiess mag ihren Grund haben, denn die Forderungen der Minimalisten bleiben gegenwärtig. Sie radikalisierten Mitte der 60er Jahre ihre Forderung nach einer Kunst, die sich jedem repräsentativen Zweck entzöge, Ikonographie, Inhalten und Funktionalität entsage. Material, Form und Farbe sollten zu einer autonomen Erfahrung konzentriert werden.
Alles, was äußerlich war und Assoziationen hervorrufen konnte, wurde beseitigt; übrig blieb der weiße Würfel oder die Bodenplatte und das ungute Gefühl, damit das Ende der Kunst erreicht zu haben. Was war in der Folge eines stringenten Modernismus noch möglich? Zum Beispiel: in die Diskussion des Minimalismus frech und frei einzusteigen, wie es etwa die New Yorker Haim Steinbach…