Sigrid Feeser
Asger Jorn
»Retrospektive«
Schirn Kunsthalle, Frankfurt, 17.12.1994 – 12.2.1995
Anfang der sechziger Jahre vertrieb sich der Maler Asger Jorn die Zeit, indem er Kitschbilder vom Flohmarkt humoristisch nachbehandelte. “Die Avantgarde ergibt sich nicht!” hatte er 1962 so einer Fundsache als Motto einbeschrieben und dem darauf porträtierten kleinen Mädchen mit Springseil und Rüschenkleid flugs einen Schnurrbart angemalt, als handele es sich um die Mona Lisa. Lang hat sich der 1914 als Asger Oluf Sørensen in West-Jütland geborene Däne mit solchen Scherzen aber nicht aufgehalten. Die Modifikationen/Defigurationen bleiben ebenso Episode wie die etwa gleichzeitigen Experimente mit Farbdrippings, die er “Luxury Paintings” nennt und bald wieder sein läßt.
Mit der Unabhängigkeitserklärung der Avantgarde hatte es freilich durchaus seine Richtigkeit. Schon 1936 zog es den Kunststudenten nach Paris zu Kandinsky, doch der reicht ihn gleich an Léger weiter, der ihn erst einmal in eine strenge Zucht nimmt. Nach dem Krieg ist Jorn wieder in Paris, gründet mit Appel, Constant, Corneille und anderen die Gruppe “Cobra” und bläst zum Angriff auf den dogmatisch verhärteten “Alt-Surrealismus” Pariser Prägung. “Cobra” steht für Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam und sammelt vorwiegend Dissidenten aus dem europäischen Norden. Man setzt auf Spontaneität, Einfachheit und Expressivität, glaubt an das Experiment und die verbindende Kraft der Figuration, träumt von einer Art brut und formuliert anarchische Lebens- und Gesellschaftsentwürfe. In der Kunst von Außenseitern, Kindern und Geisteskranken glaubt man das Modell einer “neuen phantastischen Art des Sehens” entdeckt zu haben. Auch in der Absage an das “Kalkül der kalten Abstraktion” ist man sich einig.
Drei Jahre…