Doris von Drathen
Arte italiana Presenze 1900-1945
Palazzo Grassi, Venedig, 30.4.-5.11.1989
Interessanter wäre es gewesen, umgekehrt zu fragen – nicht, was hat die italienische Nation von 1900 bis 1905 allein an Kunst hervorgebracht, sondern: Was hat die italienische Kunst im internationalen Kontext beigetragen.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu zeigen, ohne Picasso, ohne Duchamp, ohne Klee, ohne Malevich, Mondrian und Kandinsky, ohne Pollock, Rothko und Newman, ohne Kollwitz, Grosz, Beckmann und Kirchner, ohne Schlemmer und Schwitters, ohne Magritte und Dali ist entschieden langweiliger, als Boccioni, De Chirico, Carrà, Sironi oder Morandi auszusparen – das beweist die Austellung “Arte italiana. Presenze 1900-1945” im Palazzo Grassi. Und nach der Futurismo & Futurismi-Ausstellung von 1986 ist es erst recht unverständlich, warum der Blick noch einmal und nun auf den ausschließlich italienischen Futurismus gelenkt wird.
In der Gegenwartskunst mögen Reflexionen über nationale oder regionale Identifikationen sinnvoll sein, um einem nivellierten Internationalismus entgegenzuwirken. Was aber bringt ein historischer Rückblick ohne internationale Querverbindungen?
Germano Celant und Pontus Hulton versprechen, ein halbes Jahrhundert italienischer Geschichte aus der Kunst entstehen zu lassen – aber selbst dieses Vorhaben versandet spätestens in den dreißiger Jahren, wenn nicht deutlich gemacht wird, welche Rolle die Futuristen im Faschismus hatten, wenn ausgelassen wird, daß Marinetti schon 1922 Mussolini als “wunderbares futuristisches Temperament” feierte und daß weder Carrà noch Morandi sich ein Gewissen daraus machten, im Dienste des Faschismus zu arbeiten.
Trotz dieser Einwände bringt der enge italienische Blick doch neue Erkenntnis – eine Entdeckung ist wohl Guiseppe Pelizza da Volpedo, dessen großes Breitleinwand-Format (255 x 438 cm) den…